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Wichtige Entscheidung der Vergabekammer des Bundeskartellamtes - Neue Argumente für den zulässigen Einsatz von EU-Tochtergesellschaften US-amerikanischer Unternehmen
Im letzten Jahr hatte die Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg zur Gleichsetzung einer theoretischen Zugriffsmöglichkeit bzw. des Zugriffsrisikos aus einem Drittland (z.B. den USA) mit einer Datenübermittlung im Sinne der DSGVO für Diskussionen gesorgt.
Neue Entscheidung der Vergabekammer
Die 2. Vergabekammer beim Bundeskartellamt hat sich nun in einem neuen Beschluss (13.02.2023 – VK 2 – 114/22 (PDF)) ebenfalls mit Datenverarbeitungsangeboten deutscher Tochterunternehmen US-amerikanischer Muttergesellschaften befasst. Zugrunde lag ein Vergabeverfahren, bei dem ein Bieter eine in Deutschland ansässige Tochtergesellschaft eines US-amerikanischen Unternehmens als Hosting-Dienstleisterin (Auftragsverarbeiter) einbinden wollte. Unter anderem diesen Punkt versuchte ein Mitbieter erfolglos unter Berufung auf datenschutzrechtliche Mängel durch nicht rechtskonforme Datenübermittlungen in die USA anzugreifen. Das deutsche Tochterunternehmen hatte vertraglich zugesichert, dass alle Daten auf im Inland befindlichen Servern verarbeitet werden und die gesamte Leistungserbringung im Inland erfolgen soll. Auch gab das Tochterunternehmen eine verbindliche Zusage ab, Weisungen der Muttergesellschaft auf Herausgabe von Daten nicht Folge zu leisten.
Begründung der Vergabekammer
Die Vergabekammer hat in Bezug auf den Einsatz der in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaft des US-amerikanischen Unternehmens folgende Aussagen getroffen:
- Die bloße Tatsache, dass die Unterauftragnehmerin eine US-amerikanische Muttergesellschaft hat, führe nicht zu einer Verarbeitung der Daten in den USA, die einen Ausschlussgrund in Bezug auf den Bieter begründen könnte. Dies gelte selbst bei der Unterstellung, dass ein unberechtigter Zugriff, z.B. durch US-Behörden nicht ausgeschlossen werden könne.
- Eine Weisung der US-Muttergesellschaft, die nach deutschem Recht rechtswidrig ist (z.B. wegen Verstoßes gegen Datenschutzrecht) sei für das deutsche Unternehmen, welches als juristische Person deutschem Recht unterfällt, von vornherein unbeachtlich.
- Ein Datenzugriff durch amerikanische Behörden auf von einem Unternehmen in Deutschland gespeicherte Daten sei mangels US-amerikanischer Staatsgewalt in Deutschland nicht durchsetzbar.
- Nur weil ein EU-Unternehmen einem Konzern mit einer US-Muttergesellschaft angehört, bestehe noch kein erhöhtes Zugriffsrisiko durch US-Sicherheitsbehörden.
- Allein eine für Unternehmen belastende Rechtslage wie durch den US-Cloud Act könne nicht dazu führen, dass von diesen Unternehmen abgegebene Datenschutzerklärungen und -zusicherungen ungültig seien.
- Der Auftraggeber dürfe grundsätzlich auf die Einhaltung vertraglicher Zusagen durch den Bieter als späteren Auftragnehmer vertrauen. Dies gelte auch in der oben dargestellten Konstellation einer Tochtergesellschaft eines US-amerikanischen Unternehmens.
- Ein generelles Restrisiko, wonach ein Aufragnehmer seine Verpflichtungen nicht einhält, bestehe stets. Wollte man aber aufgrund der Rechtslage in den USA die Konsequenz ziehen, dass abgegebene Datenschutzzusicherungen wie nicht abgegebene Erklärungen anzusehen sind, so würde der Auftragsverarbeiter im Ergebnis haftbar gemacht für eine Rechtslage im Ausland.
- Der pauschale Ausschluss vom Wettbewerb stellt einen gravierenden und diskriminierenden Eingriff in die Rechte der Unternehmen dar.
Auswirkung in der Praxis
Die Begründung und Argumente der Vergabekammer können in der Praxis sehr gut bei der Prüfung von eigenen Dienstleistern (etwa im Rahmen eines TIA nach Klausel 14 der SCC oder eine Risikobewertung nach Vorgaben des EDSA) verwendet werden.
Neben den oben genannten Aussagen der Kammer, die etwa bei der Ausgestaltung von Verträgen berücksichtigt werden können, dürften sich vor dem Hintergrund des Beschlusses insbesondere folgende Punkte positiv auf die Risikobetrachtung auswirken und sollten beachtet werden:
- Zusage eines EU-Unternehmens, dass Daten auf im Inland befindlichen Servern gespeichert und verarbeitet werden und die gesamte Leistungserbringung im Inland erfolgt.
- Zusage eines EU-Unternehmens, Daten nicht an Dritte herauszugeben (z. B. ausländischen Sicherheits- oder Geheimdienstbehörden).
- Zusage eines EU-Unternehmens, Weisungen der Muttergesellschaft zur Datenweitergabe nicht Folge zu leisten.
- Gegebenenfalls Festlegung einer Regelung zu Vertragsstrafen für den Fall von schuldhaften Verletzungen der datenschutzrechtlichen Vorgaben.
Am 17. März 2023 findet unser Seminar Piltz Legal update mit dem Titel „Aktuelles zu Drittstaatentransfers“ in Nürnberg statt. Dort wird Alexander Filip (BayLDA, u.a. zuständig für Fragen des Internationalen Datenverkehrs) über aktuelle Entwicklungen in diesem Bereich mit uns sprechen und diskutieren.
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Weiterer Fachaufsatz zum Training von KI-Modellen aus datenschutzrechtlicher Sicht
In der aktuellen Ausgabe 02/2025 (EuDIR 2025, 90) der Zeitschrift für Europäisches Daten- und Informationsrecht (EuDIR) wurde ein Beitrag von Dr. Carlo Piltz und Alexander Weiss mit dem Titel „Datenschutzrechtliche Rechtsgrundlagen für das Training von KI-Modellen“ veröffentlicht.
In dem Aufsatz wird aufgezeigt, welche datenschutzrechtlichen Erlaubnistatbestände aus der DSGVO in bestimmten Fallkonstellationen herangezogenen werden können, wenn KI-Modelle mit personenbezogenen Daten trainiert werden. Zudem werden auch Fragestellungen zur Zweckänderung (Art. 6 Abs. 4 DSGVO) und zur Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 DSGVO) erörtert.
Das Inhaltsverzeichnis der Zeitschrift können Sie hier als PDF aufrufen.
Zweitverwendung personenbezogener Daten in der Forschung: EDSB-Studie zeigt dringenden Handlungsbedarf
Ob Biobank, klinische Studie oder KI-gestützte Gesundheitsforschung: Die Wiederverwendung bereits erhobener personenbezogener Daten für neue wissenschaftliche Fragestellungen – die sogenannte Zweitverarbeitung, Zweitverwendung oder Zweitnutzung – ist aus der modernen Forschung nicht mehr wegzudenken. Sie verspricht Effizienz, Erkenntnisgewinn und gesellschaftlichen Mehrwert. Doch das datenschutzrechtliche Fundament für solche Projekte ist häufig eher unsicher.
Relevante Vorgaben zum Einsatz von KI in Unternehmen und öffentlichen Stellen aus dem Tätigkeitsbericht 2024 des LfDI Baden-Württemberg
In seinem Tätigkeitsbericht für das Jahr 2024 hat sich der Landesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg (LfDI BaWü) unter anderem auch zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) geäußert. Insbesondere wird im Tätigkeitsbericht der Einsatz von KI in Schulen thematisiert (siehe S. 112 ff.). Die dort genannten Vorgaben lassen sich zum Großteil jedoch auch auf andere Sachverhalte anwenden.
Neue Zweifel an der Wirksamkeit des EU-U.S. Data Privacy Framework
Der LIBE-Ausschuss vom Europäischen Parlament hat am 6. Februar 2025 die Kommission darauf hingewiesen, dass das unter dem EU-U.S. Data Privacy Framework („DPF“) geschaffene Privacy and Civil Liberties Board nur noch mit einer Person besetzt ist (siehe dazu auch den Artikel bei Bloomberg). Die anderen Board-Mitglieder wurden von der Exekutive in den USA abberufen. Der Ausschuss bittet die Kommission eine dokumentierte Prüfung zur Verfügung zu stellen, die sich mit den Auswirkungen dieser Änderung befasst.
Neue Vorgaben zur Barrierefreiheit auf Websites und in Apps: Ein Überblick zu den Vorschriften des BFSG
Philip Schweers hat in der aktuellen Ausgabe 09/2025 des "Betriebs-Beraters" die nach dem 28. Juni 2025 geltenden Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz für Websites und Apps zusammengefasst.
Der Beitrag beschreibt ausführlich für welche Websites und Apps das BFSG gilt, welche Anforderungen bei dessen Umsetzung beachtet werden müssen und welche Konsequenzen bei Verstößen drohen.
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (Teil 4) – Folgen von Verstößen gegen das BFSG
Ab dem 29. Juni 2025 gelten die Vorgaben des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG). Um Sie rechtzeitig auf das BFSG vorzubereiten, befassen wir uns in unserer Beitragsreihe mit dessen Anforderungen. In Teil 1 haben wir uns einen kurzen Gesamtüberblick zum BFSG verschafft. In Teil 2 und Teil 3 haben wir uns angesehen, ob und welche Anforderungen aus dem BFSG für ihre Websites und Apps gelten. In Teil 4 befassen wir uns damit, was passiert, wenn ein Dienstleister, (z.B. der Anbieter eines Onlineshops) gegen die Vorgaben des BFSG verstößt und wie dieser sich gegen mögliche Rechtsfolgen wehren kann.