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Relevante Vorgaben zum Einsatz von KI in Unternehmen und öffentlichen Stellen aus dem Tätigkeitsbericht 2024 des LfDI Baden-Württemberg
In seinem Tätigkeitsbericht für das Jahr 2024 hat sich der Landesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg (LfDI BaWü) unter anderem auch zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) geäußert.
Insbesondere wird im Tätigkeitsbericht der Einsatz von KI in Schulen thematisiert (siehe S. 112 ff.). Die dort genannten Vorgaben lassen sich zum Großteil jedoch auch auf andere Sachverhalte anwenden.
Keine Entscheidungsfindung durch KI
Zunächst weist der LfDI BaWü darauf hin, dass rechtlich relevante Entscheidungen nicht ausschließlich auf Basis einer KI getroffen werden dürfen, was bereits aus Art. 22 DSGVO folgt. Allerdings ist auch bei sogenannten „Automation Bias“ Vorsicht geboten. Darunter zu verstehen ist der Umstand, dass Menschen dazu neigen, die Ergebnisse einer KI unkritisch oder ungeprüft zu übernehmen. Insofern wären Korrekturvorschläge oder ein Vorschlag zur Notenvergabe ggf. schon als maßgebliche Beeinflussung anzusehen und würden damit unter Art. 22 DSGVO fallen. Denn der Grat zwischen einem unverbindlichen Vorschlag und einer konkreten Vorgabe ist schmal und der Nachweis schwierig. Aus unserer Sicht sollte deshalb eine initiale Entscheidung stets von einem Menschen getroffen und erst in einem zweiten Schritt mithilfe der KI kritisch hinterfragt werden, um einen Verstoß gegen Art. 22 DSGVO zu verhindern.
Verwendung von Hochrisiko KI-Systemen
Zudem weist der LfDI BaWü darauf hin, dass es sich bei dem Einsatz von KI-Systemen zur Bewertung von Lernergebnissen gemäß Art. 6 Abs. 2 i.V.m. Anhang III Nr. 3 KI-VO um Hochrisiko-KI-Systeme handelt. Auch ist im Hinblick auf Art. 25 Abs. 1 lit. c KI-VO Vorsicht für Betreiber von sogenannten KI-Systemen mit allgemeinem Verwendungszweck geboten. Denn der Einsatz solcher KI-Systeme für die in Anhang III genannten Zwecke (z.B. Bewertung von Schülern oder auch Bewertung von Beschäftigten) führt dazu, dass der Betreiber eines KI-Systems mit allgemeinem Verwendungszweck zum Anbieter wird und dann die entsprechenden Pflichten zu erfüllen hat.
Keine Verarbeitung von Daten Minderjähriger
Da es sich bei den betroffenen Personen im Schulbereich überwiegend um Minderjährige handeln wird, betont der LfDI BaWü die hohen datenschutzrechtlichen Schutzerfordernisse und empfiehlt, auf eine Verarbeitung personenbezogener Daten zu verzichten, da die Sicherstellung von Betroffenenrechten aktuell technisch nicht ausreichend umgesetzt werden kann, weshalb vor allem auch ein Training von KI-Modellen mit solchen Daten unterlassen werden sollte. Diese Vorgabe sollte ebenfalls allgemein und nicht nur für den Kontext Schule verstanden werden. Denn für Verantwortliche dürfte sowohl das Einholen einer Einwilligung aufgrund von Art. 7 und 8 DSGVO als auch die berechtigten Interessen als Rechtsgrundlage wegen der hohen Schutzbedürftigkeit von Minderjährigen nur schwer zu begründen sein.
Kein Verbot von KI-Systemen in der Schule
Trotz der Vorgaben und Einschränkungen weist der LfDI BaWü auch darauf hin, dass es KI-Systeme gibt, die unproblematisch im Schulbereich eingesetzt werden können. Das gilt vor allem für solche Systeme, die Schüler lediglich beim Lernen unterstützen, ohne eine Bewertung vorzunehmen. Hingegen sind adaptive Lernsysteme zur Steuerung des Lernprozesses, etwa durch Analyse des Lernverhaltens und darauf basierende personalisierte Lernempfehlungen, nach Anhang III Nr. 3b KI-VO als Hochrisiko-KI-Systeme einzustufen. Dementsprechend sollte stets geprüft werden, ob der Einsatz nach der KI-VO tatsächlich als unproblematisch eingestuft werden kann oder ob unter den Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 2 und 3 i.V.m. Anhang III Nr. 3 KI-VO nicht doch ein Hochrisiko-KI-System im Einzelfall vorliegt.
Generell gilt nach dem risikobasierten Ansatz der KI-VO für Anbieter und Betreiber, dass es durchaus viele KI-Systeme gilt, die kein besonderes Risiko darstellen und dementsprechend kaum Regelungen nach der KI-VO unterliegen.
Ungeachtet dessen gilt sowohl für den schulischen Bereich als auch für den generellen Einsatz von KI die Pflicht zur Sicherstellung von KI-Kompetenz nach Art. 4 KI-VO, um KI-Systeme sachkundig einsetzen zu können.
Anforderungen bzgl. Auftragsverarbeitung und Drittstaatentransfer
Sofern Schulen externe KI-Systeme im Rahmen einer Auftragsverarbeitung verwenden, ist nach Ansicht des LfDI BaWü sicherzustellen, dass keine personenbezogenen Daten für eigene Zwecke des Anbieters verarbeitet werden, was bereits aus Art. 28 Abs. 10 DSGVO folgt. Auch diese Anforderung gilt für sämtliche Verwendungen von KI-Systemen auf Basis einer Auftragsverarbeitung, sodass zum Beispiel Betreiber stets darauf achten sollten, dass sich Anbieter in den Vertragsbedingungen kein Recht zur Verwendung personenbezogener Daten zu Trainingszwecken einräumen.
In Bezug auf eine mögliche Verarbeitung in Drittstaaten gilt, dass diesbezüglich die Anforderungen in den Art. 44 ff. DSGVO zu beachten sind.
Rechtsgrundlage für den öffentlichen Bereich
Im Hinblick auf die Verwendung von KI-Systemen in Schulen weist der LfDI BaWü darauf hin, dass aufgrund der Eingriffstiefe eine spezielle Ermächtigungsgrundlage erforderlich sei und eine Generalklausel, wie § 4 LDSG Baden-Württemberg grundsätzlich nicht ausreiche. Zudem seien spezielle Vorgaben des nationalen (Landes-)Rechts zu beachten, wie etwa § 115b Abs. 9 Schulgesetz Baden-Württemberg. Danach sei der Einsatz automatisierter, anpassungsfähiger Verfahren zum Zweck der technischen Unterstützung und Förderung des individuellen Lernweges nach der Rechtsverordnung der obersten Schulaufsichtsbehörde zulässig. Hierunter fällt allerdings weder die Feststellung noch die Bewertung der Leistung der Schüler.
An anderer Stelle im Tätigkeitsbericht (siehe S. 15) weist der LfDI BaWü noch darauf hin, dass z.B. die Bundesländer Schleswig-Holstein (IT-Einsatz-Gesetz) und Hamburg (Verwaltungsdigitalisierungsgesetz) gesonderte Rechtsgrundlagen für den Einsatz von KI-Systemen in der öffentlichen Verwaltung geschaffen haben. Dass der Einsatz von KI-Systemen zur Datenverarbeitung im öffentlichen Bereich kompliziert ist, wird an anderer Stelle im Tätigkeitsbericht deutlich. Beim Thema Videoüberwachung im Schwimmbad (siehe S. 109 f.) kann die Aufzeichnung der Videoaufnahmen zwar auf § 18 Abs. 1 LDSG BaWü gestützt werden. Nach Ansicht des LfDI BaWü kann die weitere Verarbeitung der Aufnahme durch ein KI-System zur Erkennung kritischer Situationen (z.B. Gefahr des Ertrinkens) nicht darauf gestützt werden.
Transkription von Online-Veranstaltungen
Der LfDI BaWü berichtet ferner von einer Beratungsanfrage zur Nutzung einer Anwendung, die gesprochene Inhalte in Echtzeit aufzeichnet und automatisch in einen geschriebenen Text umwandelt (siehe S. 134 f.). Nach Ansicht des LfDI BaWü wird der Verwender eines solchen Tools regelmäßig Verantwortlicher i.S.d. Art. 4 Nr. 7 DSGVO sein, während der Anbieter Auftragsverarbeiter nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO sein wird. Dass eine Nutzung der personenbezogenen Daten zu eigenen (Trainings-)Zwecken unterbleibt, ist auch hier zu beachten und wenn möglich, vertraglich und technisch (z.B. Deaktivierung des KI-Trainingsmodus) sicherzustellen. Weiterhin müssen die betroffenen Personen vor der Datenverarbeitung über den Einsatz des KI-Tools und über den Zweck der Aufnahme und Transkription informiert werden, z.B. bereits mit der Einladung zur Veranstaltung und durch ein Pop-up-Fenster während des Meetings vor Beginn der Aufzeichnung. Als Rechtsgrundlage kommen die Einwilligung sowie die berechtigten Interessen in Betracht, wobei Ersteres vor allem dann die passende Legitimation ist, wenn es um die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten geht. Eine Einwilligung wird auch vor dem Hintergrund von § 201 StGB notwendig sein, da die unbefugte Aufzeichnung des nichtöffentlich gesprochenen Wortes strafbar ist. Diesbezüglich reicht jedoch nach Ansicht des LfDI BaWü eine zumindest stillschweigende oder mutmaßliche Einwilligung aus.
Fazit
Der Tätigkeitsbericht des LfDI BaWü zeigt, dass die Aufsichtsbehörden den Einsatz von Künstlicher Intelligenz als datenschutzrechtliches Thema aktiv verfolgen sowie Unternehmen und öffentlichen Stellen beratend zur Seite stehen. Aus den Tätigkeitsberichten und Stellungnahmen lassen sich wertvolle Hinweise und allgemeine Maßstäbe für die Praxis entnehmen, die bei der Umsetzung des eigenen KI-Projekts herangezogen werden können.
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Digital Operation Resilience Act – Überblick zu den neuen Regelungen der digitalen Betriebsstabilität von EU-Finanzunternehmen
Am 24. September 2020 wurde der Entwurf einer EU-Verordnung über die Betriebsstabilität digitaler Systeme des Finanzsektors (Digital Operation Resilience Act, „DORA“) veröffentlicht. Der Vorschlag ist Teil des Pakets zur Digitalisierung des Finanzsektors und in den kommenden Jahren sind noch weitere (vor allem die Finanzdienstleister betreffende) neue Verordnungen und Richtlinien zu erwarten.
Zwingende Umstellung auf die neuen EU-Standardvertragsklauseln – „SCC-Umstellung – Piltz Legal Support Paket“
Ende Dezember 2022 ist es so weit. Noch bestehende „alte“ EU-Standardvertragsklauseln („SCC“) müssen durch neue Verträge ersetzt werden. Für Unternehmen beinhaltet diese verpflichtende Umstellung auf die neuen SCC auch neue Pflichten. So wird ein Transfer Impact Assessment gemäß Klausel 14 der SCC („TIA“) verpflichtend und es müssen in manchen Fällen technische und organisatorische Maßnahmen zur Sicherung des angemessenen Schutzniveaus getroffen werden. Wenn EU-Unternehmen nicht selbst die SCC abschließen, dann müssen sie sich vergewissern, dass ihr in der EU ansässige Dienstleister mit in Drittländern ansässigen Subunternehmern die SCC in Modul 3 abgeschlossen haben. Egal ob man selbst die SCC abschließt oder sich vergewissert, dass der Dienstleister SCC im Modul 3 abgeschlossen hat, die Umstellung auf die neuen SCC erfordert einen Austausch mit den Dienstleistern. Bei Bedarf können wir Sie mit dem Piltz Legal Support Paket dabei unterstützen.
Seminarreihe „Piltz Legal Update“ startet
Am 09.09.2022 findet die erste „Piltz Legal Update“ Veranstaltung unter dem Thema „Tracking, Cookies, Advertising – § 25 TTDSG im Fokus“ statt. Dr. Carlo Piltz und Dr. Nina Elisabeth Herbort geben aktuelle Einblicke.
Schnell sein lohnt sich, denn die Teilnehmerzahl ist begrenzt.
Eigentumsvorbehalt weltweit – Rechtliche Praxis in 32 Ländern
Bei Exportgeschäften kann sich der Verkäufer auf einen Eigentumsvorbehalt nur verlassen, wenn das für den ausländischen Käufer jeweils geltende Recht beachtet wird. Das soeben erschienene, von unserem Partner Prof. Dr. Burghard Piltz herausgegebene Buch stellt die rechtliche Praxis in 32 Ländern von Australien bis Ungarn dar.
Dr. Carlo Piltz im Podcast heise meets…. Datenschutz- & Security-Compliance im Unternehmen
Dr. Carlo Piltz war zu Gast im Podcast heise meets… und spricht dort über die wichtigsten rechtlichen Anforderungen zu Datenschutz & Security-Compliance.
Cyberangriffe treffen nicht nur Großkonzerne, auch kleine Unternehmen sind immer häufiger betroffen. Neben technischen Anforderungen sind auch rechtliche Richtlinien erforderlich, um Daten, Mitarbeiter, Kunden und das Unternehmen zu schützen. Die wichtigsten Gesetze und Richtlinien erläutern wir im Podcast und geben Hinweise, was Unternehmen zwingend beachten sollten.
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Piltz Legal Whitepaper zur Umsetzung der Modernisierungsrichtlinie
Das Umsetzungsgesetz zur Modernisierungsrichtlinie („Mod-RL“) ist am 28. Mai 2022 in Kraft getreten. Die Mod-RL modifiziert die Digitale-Inhalte-Richtlinie sowie die Verbraucherrechte-Richtlinie. Mit der Umsetzung wurden Teile des BGB und EGBGB an die Vorgaben der Mod-RL angepasst. Transparenz- und Informationspflichten stehen dabei im Mittelpunkt, einige Änderungen gibt es auch beim Widerrufsrecht.