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Neue Zweifel an der Wirksamkeit des EU-U.S. Data Privacy Framework

Der LIBE-Ausschuss vom Europäischen Parlament hat am 6. Februar 2025 die Kommission darauf hingewiesen, dass das unter dem EU-U.S. Data Privacy Framework („DPF“) geschaffene Privacy and Civil Liberties Board nur noch mit einer Person besetzt ist (siehe dazu auch den Artikel bei Bloomberg). Die anderen Board-Mitglieder wurden von der Exekutive in den USA abberufen. Der Ausschuss bittet die Kommission eine dokumentierte Prüfung zur Verfügung zu stellen, die sich mit den Auswirkungen dieser Änderung befasst.

Wieso ist die Wirksamkeit des DPF gefährdet?

Der Angemessenheitsbeschluss der Europäischen Kommission zum DPF gilt so lange, bis er von der Kommission zurückgenommen oder ausgesetzt oder durch den EuGH aufgehoben wird. Soweit die USA von den im Zusammenhang mit dem DPF vereinbarten Garantien abweichen, ist davon auszugehen, dass sich dies negativ auf das Datenschutzniveau in den USA auswirkt. Das Privacy and Civil Liberties Board muss u.a. unabhängig i.S.v. Art. 8 Abs. 3 GRC und Art. 45 Abs. 2 lit. b DSGVO sein. Wenn das Board nur noch mit einer Person besetzt ist und übrige Personen von der Exekutive ohne objektiv nachvollziehbare Gründe abberufen werden können, dann entstehen dadurch berechtigte Zweifel an der Angemessenheit.

Hat sich die Europäische Kommission schon geäußert?

Nein, soweit ersichtlich gab es bislang keine Reaktion der Kommission. Sofern das Board jedoch nur mit einer Person besetzt bleibt, ist es wohl wahrscheinlich, dass die Kommission sich zumindest ebenfalls kritisch äußern wird. Ggf. wird auch eine Nachprüfung der Angemessenheit zeitnah offiziell angekündigt.

Wer könnte den DPF-Beschluss aufheben?

Die Datenschutzaufsichtsbehörden können sich zwar kritisch zum Fortbestand des DPF äußern. Nur der EuGH kann den Beschluss jedoch für unwirksam erklären. Auf ein EuGH-Urteil zum DPF müsste die Fachwelt wohl aber noch eine Weile warten. Fernab dessen ist es möglich, dass die Europäische Kommission selbst den Beschluss zurücknimmt, aussetzt oder ändert. Gemäß Art. 45 Abs. 4 DSGVO muss die Kommission fortlaufend prüfen, ob Entwicklungen im Drittland Zweifel an der vorher beschlossenen Angemessenheit aufkommen lassen. Nach Art. 45 Abs. 5 DSGVO ist die Kommission sogar dazu verpflichtet, einen Angemessenheitsbeschluss zu widerrufen, zu ändern oder auszusetzen, wenn die Angemessenheit nicht mehr gewährleistet ist. Welche der drei Optionen angewendet werden muss, hängt davon ab, welche Maßnahme unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips am geeigneten ist. Es ist durchaus denkbar, dass die Kommission den Beschluss zuerst aussetzen und nicht direkt widerrufen wird. Eine Änderung des Beschlusses scheint hingegen am unwahrscheinlichsten zu sein, weil die unzureichende Besetzung des Privacy and Civil Liberties Board alle zertifizierten Unternehmen gleichermaßen betreffen würde.  

Wie lange könnte es dauern bis der Beschluss nicht mehr gültig ist?

Das ist schwer vorherzusagen. Es kommt vor allem darauf an, wie schnell die Kommission nun agiert und ob noch Änderungen bei der Besetzung des Boards für die USA denkbar sind. Es ist auch relevant, ob das Privacy and Civil Liberties Board nach dem Willen der US-Regierung langfristig nur mit einer Person besetzt sein oder nicht mehr existieren soll.

Was sollten Unternehmen aus der EU jetzt machen?

Wenn der Angemessenheitsbeschluss von der Kommission widerrufen oder ausgesetzt werden sollte, können sich Unternehmen aus der EU nicht mehr auf das DPF als Transfermechanismus berufen. Damit Datenübermittlungen in die USA danach noch möglich sind, sollten jetzt schon Standarddatenschutzklauseln als Backup mit vereinbart werden. Diese Klauseln sollten so in vertragliche Abreden integriert sein, dass sie nur dann greifen und als vereinbart gelten, wenn der Angemessenheitsbeschluss widerrufen oder ausgesetzt wurde. Das hält auch das BayLDA in seinem Tätigkeitsbericht für 2023 (hier auf S. 69 und 70) für möglich: „So spricht aus unserer Sicht nichts dagegen, parallel zu einer auf den EU-U.S. DPF gestützten Übermittlung vorsorglich Standarddatenschutzklauseln abzuschließen, wobei die Klauseln als Übermittlungsinstrument allerdings lediglich unter der Bedingung wirksam sein sollen, dass der Angemessenheitsbeschluss aufgehoben wird.“ Es ist auch ratsam, die Unanwendbarkeit der Standarddatenschutzklauseln für den Fall zu regeln, dass ein Angemessenheitsbeschluss einmal nachgelagert wieder relevant ist (bspw. erst Aussetzung durch die Kommission und nachgelagert wieder greifende Gültigkeit) oder ein neuer Beschluss verabschiedet wird.

Welche Rolle spielen technische, organisatorische und vertragliche Maßnahmen, wenn der Angemessenheitsbeschluss nicht mehr gelten sollte?

Im Grunde ist die Ausgangslage dann dieselbe wie nach Schrems II und vor dem DPF-Beschluss. Unternehmen sollten evaluieren, ob sie Datenübermittlungen in die USA vermeiden können. Wenn eine Datenübermittlung in die USA aus Sicht eines Unternehmens jedoch unvermeidbar ist, dann müssen technische, organisatorische und vertragliche Maßnahmen ergriffen werden, um das Schutzniveau zu erhöhen. Hierbei werden besonders starke Verschlüsselungsmöglichkeiten und eine für den Empfänger in den USA unumkehrbare Pseudonymisierung wieder eine zentrale Rolle spielen. Je nach Einzelfall können auch Lösungen für das confidential computing einen Unterschied machen. Bei Microsoft 365 spielt die Data Boundary eine Rolle für die Vermeidung von Datenübermittlungen in die USA. Die Anwendbarkeit der Data Boundary wurde erst kürzlich in der neuen Version der Auftragsverarbeitungsvereinbarung von Microsoft auf weitere Datenverarbeitungen ausgeweitet.

Wirtschaftsjurist, Counsel
Philipp Quiel, LL.M.
Wirtschaftsjurist, Counsel
Philipp Quiel, LL.M.

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Weiterer Fachaufsatz zum Training von KI-Modellen aus datenschutzrechtlicher Sicht

In der aktuellen Ausgabe 02/2025 (EuDIR 2025, 90) der Zeitschrift für Europäisches Daten- und Informationsrecht (EuDIR) wurde ein Beitrag von Dr. Carlo Piltz und Alexander Weiss mit dem Titel „Datenschutzrechtliche Rechtsgrundlagen für das Training von KI-Modellen“ veröffentlicht.

In dem Aufsatz wird aufgezeigt, welche datenschutzrechtlichen Erlaubnistatbestände aus der DSGVO in bestimmten Fallkonstellationen herangezogenen werden können, wenn KI-Modelle mit personenbezogenen Daten trainiert werden. Zudem werden auch Fragestellungen zur Zweckänderung (Art. 6 Abs. 4 DSGVO) und zur Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 DSGVO) erörtert.

 

Das Inhaltsverzeichnis der Zeitschrift können Sie hier als PDF aufrufen.

Zweitverwendung personenbezogener Daten in der Forschung: EDSB-Studie zeigt dringenden Handlungsbedarf

Ob Biobank, klinische Studie oder KI-gestützte Gesundheitsforschung: Die Wiederverwendung bereits erhobener personenbezogener Daten für neue wissenschaftliche Fragestellungen – die sogenannte Zweitverarbeitung, Zweitverwendung oder Zweitnutzung – ist aus der modernen Forschung nicht mehr wegzudenken. Sie verspricht Effizienz, Erkenntnisgewinn und gesellschaftlichen Mehrwert. Doch das datenschutzrechtliche Fundament für solche Projekte ist häufig eher unsicher.

Relevante Vorgaben zum Einsatz von KI in Unternehmen und öffentlichen Stellen aus dem Tätigkeitsbericht 2024 des LfDI Baden-Württemberg

In seinem Tätigkeitsbericht für das Jahr 2024 hat sich der Landesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg (LfDI BaWü) unter anderem auch zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) geäußert. Insbesondere wird im Tätigkeitsbericht der Einsatz von KI in Schulen thematisiert (siehe S. 112 ff.). Die dort genannten Vorgaben lassen sich zum Großteil jedoch auch auf andere Sachverhalte anwenden.

Neue Zweifel an der Wirksamkeit des EU-U.S. Data Privacy Framework

Der LIBE-Ausschuss vom Europäischen Parlament hat am 6. Februar 2025 die Kommission darauf hingewiesen, dass das unter dem EU-U.S. Data Privacy Framework („DPF“) geschaffene Privacy and Civil Liberties Board nur noch mit einer Person besetzt ist (siehe dazu auch den Artikel bei Bloomberg). Die anderen Board-Mitglieder wurden von der Exekutive in den USA abberufen. Der Ausschuss bittet die Kommission eine dokumentierte Prüfung zur Verfügung zu stellen, die sich mit den Auswirkungen dieser Änderung befasst.

Neue Vorgaben zur Barrierefreiheit auf Websites und in Apps: Ein Überblick zu den Vorschriften des BFSG

Philip Schweers hat in der aktuellen Ausgabe 09/2025 des "Betriebs-Beraters" die nach dem 28. Juni 2025 geltenden Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz für Websites und Apps zusammengefasst.

Der Beitrag beschreibt ausführlich für welche Websites und Apps das BFSG gilt, welche Anforderungen bei dessen Umsetzung beachtet werden müssen und welche Konsequenzen bei Verstößen drohen.

Den Beitrag finden Sie hier als PDF zum freien Abruf.

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (Teil 4) – Folgen von Verstößen gegen das BFSG

Ab dem 29. Juni 2025 gelten die Vorgaben des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG). Um Sie rechtzeitig auf das BFSG vorzubereiten, befassen wir uns in unserer Beitragsreihe mit dessen Anforderungen. In Teil 1 haben wir uns einen kurzen Gesamtüberblick zum BFSG verschafft. In Teil 2 und Teil 3 haben wir uns angesehen, ob und welche Anforderungen aus dem BFSG für ihre Websites und Apps gelten. In Teil 4 befassen wir uns damit, was passiert, wenn ein Dienstleister, (z.B. der Anbieter eines Onlineshops) gegen die Vorgaben des BFSG verstößt und wie dieser sich gegen mögliche Rechtsfolgen wehren kann.