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Neue datenschutzrechtliche Vorgaben für Uber, Lieferando & Co?
Anmerkungen zum Entwurf der Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit vom 9. Dezember 2021
Die Europäische Kommission hat am 9. Dezember 2021 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit (PDF, im folgenden Richtlinienentwurf) veröffentlicht. Durch den Richtlinienentwurf soll vor allem die Position von Arbeitnehmer/innen und Selbstständigen verbessert werden, die ihre Arbeitskraft über digitale Plattformen anbieten. Neben Regelung zur Vermeidung von Scheinselbstständigkeit, enthält der Richtlinienentwurf vor allem auch einige Vorgaben bezüglich des Datenschutzes von Beschäftigten. So sollen besondere Vorgaben in Bezug auf Transparenz, Betroffenenrechte und Rechenschaftspflichten gelten, wenn die Arbeit der Beschäftigten mit Hilfe von Algorithmen organisiert wird. Im Folgenden haben wir uns daher den Richtlinienentwurf im Hinblick auf seine Auswirkungen auf den Beschäftigtendatenschutz näher angesehen.
Welche Plattformen sind betroffen?
Nach dem Entwurf soll die Richtlinie nicht pauschal für alle Plattformbetreiber gelten, sondern nur für Betreiber so genannter digitaler Arbeitsplattformen („digital labour platforms“). Gemeint sind damit Plattformen über die die Arbeit von Arbeitnehmer/innen bzw. Selbstständigen auf Anfrage Dritter (der eigentlichen Leistungsempfänger) organisiert wird. In Erwägungsgrund 18 des Richtlinienentwurfs werden als zu vermittelnde Leistungen zum Beispiel der Transport von Waren oder Personen genannt. Im Vordergrund scheint insoweit die Regulierung von typischen Plattformen der sogenannten Gig Economy wie Uber oder Lieferando zu stehen. Aufgrund der etwas unklaren Definition in Artikel 2 des Richtlinienentwurfs, könnten die Vorgabe, aber auch klassische Personalvermittler betreffen.
Wichtig ist insoweit auch, dass Plattformen bei denen die Arbeitsleistung lediglich eine Nebenkomponente darstellt, nicht gemeint sein sollen. Das bedeutet voraussichtlich auch, dass der Richtlinienentwurf nicht für Marktplätze im Internet gelten soll, die es privaten oder geschäftlichen Anbietern ermöglichen, Waren im Internet anzubieten.
Was regelt der Richtlinienentwurf in Bezug auf den Beschäftigtendatenschutz?
Unter Bezugnahme auf Art. 88 DSGVO enthält der Richtlinienentwurf in Kapitel III einige spezielle Vorgaben zur Verarbeitung von Beschäftigtendaten durch Systeme, die das Verhalten automatisiert überwachen und/oder Entscheidungen im Kontext des Beschäftigung-/Nutzungsverhältnisses treffen oder unterstützen.
Besondere Informationspflichten
Nach Art. 6 des Richtlinienentwurfs sollen Beschäftigte und Plattformnutzer aktiv und spätesten zum ersten Arbeitstag über den Einsatz automatisierter Überwachungs- und Entscheidungssystemen informiert werden. Bei einer automatisierten Überwachung müssen Beschäftigte zusätzlich erfahren, welches Verhalten beobachtet wird. In Bezug auf (teil-) automatisierte Entscheidungsprozesse muss angegeben werden, welche Faktoren für die automatisierte Entscheidungsfindung herangezogen werden, welche Entscheidungen aufgrund welcher Parameter durch das System getroffen werden und auf welchen Gründen Entscheidungen basieren, die sich negativ auf das Arbeitsverhältnis oder das Nutzungsverhältnis (in Bezug auf die Plattform) auswirkt.
Bemerkenswert an dieser Regelung ist vor allem, dass eine entsprechende Informationspflicht auch dann bestehen soll, wenn das System die eigentliche Entscheidung nicht trifft, aber unterstützt. Gemäß dem Wortlaut von Art. 13 Abs. 2 f) und 14 Abs. 2 g) DSGVO müssen Verantwortliche betroffene Personen bislang nur dann über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer automatisierten Entscheidungsfindung informieren, wenn eine ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung erfolgt.
Pflicht zur Risikoüberprüfung
Art. 7 des Richtlinienentwurfs sieht vor, dass Betreiber von digitalen Arbeitsplattformen bei Einsatz der einleitend beschriebenen Systeme bewerten müssen, welche gesundheitlichen, psychologischen und arbeitsbezogenen Risiken dadurch für die Beschäftigten entstehen. Zudem müssen Plattformbetreiber angemessene Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vorsehen.
In einem Großteil der relevanten Fälle besteht eine solche Pflicht wahrscheinlich bereits nach aktueller Rechtslage. Erfolgt der Betrieb automatisierter Überwachungs- und Entscheidungssystemen auf berechtigten Interessen des Verantwortlichen, muss dieses nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO gegen die schützenswerten Interessen der betroffenen Personen abgewogen werden. Auch wird häufig so sein, dass diese Systeme erst nach Durchführung einer Datenschutzfolgenabschätzung eingesetzt werden können (siehe Seite Regelbeispiel Nr. 8 der DSK-Liste der Verarbeitungstätigkeiten, für die eine DSFA durchzuführen ist).
Überwachungspflichten
Der Rechtlinienentwurf sieht darüber hinaus explizit vor, dass der Plattformbetreiber gewährleisten muss, dass diese Systeme durch dafür fachlich geeignete und ausgebildete Personen überwacht werden. Diese sollten automatisierte Entscheidungen, teils unabhängig, überprüfen können.
Es ist nicht eindeutig nachvollziehbar, ob die Vorgabe des Richtlinienentwurfs auch durch den Datenschutzbeauftragten umgesetzt werden können. Das erscheint allerdings naheliegend, da auch die Überwachung der Einhaltung der Datenschutzvorschriften zu dessen/deren Aufgaben zählt.
Erweiterter Anwendungsbereich des Beschäftigtendatenschutzes
Die vorangestellten Regelungen sollen nach Art. 10 des Richtlinienentwurfs auch für Personen gelten, die ihre Dienste auf der Plattform anbieten, die keine direkten Angestellten des Plattformbetreibers sind.
Nach § 26 Abs. 8 BDSG beschränken sich die Regelungen des Beschäftigtendatenschutzes auf die dort aufgezählten Personengruppen. Nutzer einer digitalen Arbeitsplattform könnten, wenn sie nicht direkt vom Plattformbetreiber eingestellt sind, aufgrund ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit, als Beschäftigte im Sinne von § 26 Abs. 8 Nr. 6 BDSG anzusehen sein.
Welche Auswirkungen könnten Verstöße gegen diese Vorgabe haben?
Die Überwachung der datenschutzrechtlichen Vorgaben soll nach Art. 19 des Richtlinienentwurfs den Datenschutzbehörden obliegen und sich nach den einschlägigen Vorschriften der DSGVO richten. Bei Verstößen sollen die Aufsichtsbehörden nach dem Richtlinienentwurf ausdrücklich dazu ermächtigt sein, entsprechend 83 Abs. 5 DSGVO Geldbußen von bis zu 20 000 000 EUR oder von bis zu 4 % des gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes eines Unternehmens zu erlassen.
Zusammenfassung
Der Entwurf der Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit stellt vor allem eine Konkretisierung der datenschutzrechtlichen Vorgaben für den Umgang mit Beschäftigtendaten dar. Er erweitert aber gleichzeitig auch das datenschutzrechtliche Pflichtenheft für betroffene Unternehmen.
Im Kontext einer nationalen Umsetzung des Richtlinienentwurfs stellt sich zudem die Frage, ob der deutsche Gesetzgeber dies zum Anlass nehmen wird, allgemein verbindliche Vorgaben im Datenschutz für die automatisierte Verarbeitung von Beschäftigtendaten zu schaffen. Vor dem Hintergrund der bereits im Koalitionsvertrag angekündigten Konkretisierung des Beschäftigtendatenschutzes, erscheint dies zumindest möglich.
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Tracking und Auswertung von Leistungsdaten im Profisport
Die Datenerfassung im Leistungssport hat sich zu einem unverzichtbaren Instrument für moderne Sportorganisationen entwickelt. Vereine, Verbände und Unternehmen nutzen umfangreiche Datenanalysen zur Leistungsoptimierung und strategischen Entscheidungsfindung. Hierbei werden im Allgemeinen Leistungsdaten, aber mitunter auch sensible Gesundheitsdaten verarbeitet. Verantwortliche müssen die Anforderungen der DSGVO beachten und Rechtsgrundlagen für die Datennutzung nachweisen können. Dieser Beitrag beleuchtet, vor welchen rechtlichen Herausforderungen Vereine bei der Auswertung von Leistungs- und Gesundheitsdaten von Sportlern stehen und auf welche Rechtsgrundlagen sie diese Verarbeitung stützen können.
Der Beitrag von Dr. Carlo Piltz und Ilia Kukin aus dem DSB 10/2025 ist hier abrufbar.
Neue Entwicklungen im UN-Kaufrecht
Die zentrale Stellung des UN-Kaufrechts/CISG als juristische Basis für Export- und Importverträge wird heute nicht mehr infrage gestellt. Praktiker berichten von einer deutlichen Tendenz in den Unternehmen, ihre Außenhandelsgeschäfte gezielt auf das UN-Kaufrecht umzustellen. Ein Ausschluss des UN-Kaufrechts erklärt sich heute überwiegend mit mangelnder Vertrautheit mit seinen Inhalten und fehlender Neigung, diesem Zustand abzuhelfen, lässt sich angesichts der weitreichenden Dispositivität seiner Bestimmungen jedoch kaum mit nicht akzeptablen Lösungen des UN-Kaufrechts belegen. In Fortführung des Gliederungsschemas der vorangegangenen Berichtsaufsätze (zuletzt NJW 2023, ) wird die Liste der Vertragsstaaten aktualisiert und neben Hinweisen auf aktuelle Arbeitsmittel insbesondere die seit dem letzten Berichtsaufsatz bekannt gewordene in- und ausländische Rechtsprechung zum UN-Kaufrecht/CISG aufgearbeitet. 2542
EuGH-Urteil zum Personenbezug und Informationspflichten – pseudonymisierte Daten können für den Empfänger auch anonym sein
Das EuGH-Urteil in der Rechtssache EDSB vs. SRB (Rs. C‑413/23 P) und dessen Folgen für die Rechtsanwendung werden derzeit zu Recht kontrovers diskutiert. In dem Urteil geht es zwar um Bestimmungen aus der Verordnung 2018/1725, die für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union gilt. Der EuGH hat aber ausdrücklich entschieden, dass der Begriff „personenbezogene Daten“ in dieser Verordnung und der DSGVO und der nicht mehr gültigen Richtlinie 95/46 EG identisch auszulegen ist (Rn. 52). Das Urteil ist für Unternehmen und mitgliedstaatliche Behörden gleichermaßen bedeutsam.
Rechtswidrigkeit von (Gebühren) Bescheiden wegen DSGVO-Verstoß - Dürfen öffentliche Stellen ihre Verfahren automatisieren?
Automatisierte Entscheidungen unterliegen gem. Art. 22 DSGVO besonderen gesetzlichen Anforderungen, welche auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung gelten. Zentrale Voraussetzung für die Zulässigkeit solcher Entscheidungen ist das Vorliegen einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Fehlt diese, ist der Bescheid rechtswidrig. Wie die Verwaltungsgerichte damit umgehen, zeigt eine aktuelle Entscheidung des VG Bremen (Urt. v. 14.07.2025, 2 K 763/23).
Dürfen Datenschutzbehörden die Namen der sanktionierten Unternehmen veröffentlichen?
Sowohl die BfDI als auch die Landesdatenschutzbehörden informieren regelmäßig in Pressemitteilungen über aktuelle Bußgeldverfahren. Mitunter werden dabei auch die betroffenen Unternehmen namentlich genannt. Doch ist dieses Vorgehen überhaupt rechtlich zulässig und welche Grenzen haben die Behörden dabei einzuhalten? In anderen Rechtsgebieten existiert zu diesen Fragen durch umfangreiche Rechtsprechung - allerdings bislang nicht speziell im Bereich des Datenschutzrechts.
Geschäftsgeheimnisse und Auskunftsansprüche nach Art. 15 DSGVO: Spannungsfeld und Praxisfragen
Unternehmen sehen sich häufig mit Auskunftsanfragen betroffener Personen konfrontiert, deren Beantwortung auch Geschäftsgeheimnisse betreffen kann. Dies gilt etwa in Fällen, in denen Unternehmen Informationen zu algorithmischen Entscheidungsprozessen gem. Art. 15 Abs. 1 lit. h DSGVO offenlegen müssen. Aber auch klassische Geschäftsgeheimnisse wie interne Dokumentationen, etwa Kundenlisten oder Produktspezifikationen, können von der Auskunftspflicht nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO betroffen sein.