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LG Nürnberg-Fürth: Zugangsdaten, Passwörter und Datenbank mit öffentlich verfügbaren Informationen als Geschäftsgeheimnisse
Im Bereich Geschäftsgeheimnisschutz ist es besonders relevant, dass Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses diese mit angemessenen Maßnahmen geheim halten. Damit eine Information überhaupt ein Geschäftsgeheimnis i.S.v. § 2 Nr. 1 GeschGehG sein kann, dürfen die relevanten Informationen u.a. weder allgemein bekannt noch ohne Weiteres zugänglich sein. Das LG Nürnberg-Fürth hat am 27.12.2024 (Az. 19 O 556/24) entschieden, dass sowohl eine Datenbank mit öffentlich verfügbaren Daten als auch die Zugangsdaten und Passwörter für den Zugriff auf diese Datenbank als Geschäftsgeheimnisse gelten. Es wurde außerdem entschieden, dass dem Kläger ein Auskunftsanspruch aus § 8 Abs. 1 GeschGehG zustand und die dabei zur Mitteilung von Namen und Anschriften der an der Verletzung des Geschäftsgeheimnisses beteiligten Personen erforderliche Rechtsgrundlage aus der DSGVO vorlag.
Der Fall
Der Kläger betreibt eine gesundheitspolitische Informationsdatenbank. In dieser Datenbank sind u.a. methodisch aufbereitete Werke, Daten, Berichte, Analysen und Termin- und Gesetzgebungsübersichten zum Monitoring gesundheitspolitischer Vorgänge enthalten. Zumindest einige der Informationen in der Datenbank waren auch öffentlich verfügbar. Um auf die Datenbank zugreifen zu können, müssen die Kunden des Klägers mindestens 12.000 EUR netto im Jahr bezahlen. Für den Zugriff auf die Datenbank erhalten die Kunden je Nutzer individuelle Zugangsdaten und Passwörter. Zwischen den Vertragsparteien war vereinbart, dass die Beklagte konkrete Nutzer der Datenbank gegenüber dem Kläger zu benennen hat, die Nutzer in einem Dienst-, Arbeits- und Ausbildungsverhältnis mit der Beklagten stehen müssen und dass der Beklagten eine Passwortweitergabe an nicht benannte oder bei ihr nicht tätige Nutzer untersagt ist.
Der Kläger erkannte im Laufe des Vertragsverhältnisses, dass einige nicht befugte Nutzer Zugangsdaten und dazugehörige Passwörter für die Datenbank erhalten hatten. Diese Personen waren nicht bei der Beklagten angestellt, sondern bei einem anderen Unternehmen innerhalb desselben Konzernverbunds. Bereits deswegen erfüllten diese Personen nicht die Voraussetzung, dass sie „in einem Dienst-, Arbeits- und Ausbildungsverhältnis mit der Beklagten stehen“. Sie könnten also von vornherein nicht vertragskonform auf die Datenbank zugreifen. Der Kläger machte verschiedene Ansprüche unter Berufung auf den Geschäftsgeheimnisschutz und wettbewerbsrechtliche und urheberrechtliche Vorgaben geltend. Das LG Nürnberg-Fürth gewährte dem Kläger die Ansprüche aus dem Geschäftsgeheimnisschutz. Im nachfolgenden Abschnitt finden Sie eine Zusammenfassung relevanter Aspekte aus der Entscheidung.
Die Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth
Eine zentrale Erkenntnis aus der Entscheidung ist, dass auch öffentlich verfügbare Informationen gespeichert innerhalb einer zugangsgesicherten Datenbank Geschäftsgeheimnisse sein können. Außerdem hat das LG entschieden, dass nicht nur die Zugangsdaten, sondern auch die dazugehörigen Passwörter Geschäftsgeheimnisse sind. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist es interessant zu hinterfragen, auf Basis welcher Rechtgrundlage die Beklagte als Bestandteil des Auskunftsanspruchs aus § 8 Abs. 1 GeschGehG personenbezogene Daten zu den unbefugten Nutzern dem Kläger zur Verfügung stellen kann. Die hier zuvor angesprochenen Aspekte der Entscheidung werden im Folgenden zusammengefasst.
Datenbank mit zum Teil öffentlich verfügbaren Informationen als Geschäftsgeheimnis
Wie bereits erwähnt, waren zumindest einige der in der Datenbank gespeicherten Informationen öffentlich verfügbar. Das LG hat unter Verweis auf ein BGH-Urteil aus 2012 (BGH, Urt. v. 23. 2. 2012 − I ZR 136/10) entschieden, dass auch öffentlich verfügbare Daten als Geschäftsgeheimnis geschützt sein können. Der BGH hatte damals entschieden, dass es für die Qualifizierung von veröffentlichten Informationen als Geschäftsgeheimnis darauf ankommt, ob die Zusammenstellung der veröffentlichten Informationen einen großen Zeit- oder Kostenaufwand erfordert (siehe Rn. 21 im BGH-Urteil). Ähnlich entschied das LG. Laut diesem Gericht ist entscheidend, ob die vorgenommene Strukturierung der öffentlich verfügbaren Informationen einen nicht vernachlässigbaren Organisations- und Strukturierungsaufwand erfordert (Rn. 34). Unter Verweis auf die von der Beklagten für den Datenbankzugang gezahlten jährlichen Kosten von 15.000 EUR geht das LG davon aus, dass der Organisations- und Strukturierungsaufwand nicht vernachlässigbar sein kann. Andernfalls wäre die Beklagte nicht bereit, so viel Geld für den Datenbankzugang zu bezahlen. Das Gericht verweist auch darauf, dass der Kläger angemessene Schutzmaßnahmen ergriffen hat, indem die Nutzer vertraglich zur Geheimhaltung verpflichtet wurden. Alle Voraussetzungen aus § 2 Nr. 1 a bis c GeschGehG sind erfüllt gewesen.
Für die Praxis kann man aus dem Urteil also mitnehmen, dass auch öffentlich verfügbare Informationen als Geschäftsgeheimnis gelten können. Das würde nur dann nicht gelten, wenn die Zusammenstellung, Organisation und Strukturierung der öffentlich verfügbaren Informationen mit einem geringen (vernachlässigbaren) Aufwand verbunden wären oder die Informationen nicht angemessen geschützt werden würden. Für Datenbanken mit öffentlich verfügbaren Informationen betreibende Unternehmen ist also relevant, dass sie den Zugang zur Datenbank schützen, Geheimhaltungsverpflichtungen vornehmen und die Informationen so zusammengestellt, organisiert und strukturiert sind, dass der Aufwand hierfür nicht irrelevant ist.
Zugangsdaten und Passwörter als Geschäftsgeheimnis
Das LG hat auch entschieden, dass die Zugangsdaten und Passwörter Geschäftsgeheimnisse sind (Rn. 32). Unter Verweis darauf, dass Zugangsdaten zur Datenbank individuell erstellt und den Kunden unter Geheimhaltungsverpflichtungen übermittelt werden, nimmt das LG die Anwendbarkeit des Geheimnisschutzes an. Den Zugangsdaten käme ein wirtschaftlicher Wert zu, da die Bekanntgabe ggü. Unbefugten einen wirtschaftlichen Schaden beim Kläger verursache. Weil mithilfe der Zugangsdaten auf die kostenpflichtige Datenbank zugegriffen wird, haben diese für sich genommen auch einen wirtschaftlichen Wert. Das LG führt aus, dass gerichtsbekannt auf dem Schwarzmarkt Passwörter gehandelt werden und diesen deswegen wohl ebenfalls ein wirtschaftlicher Wert zukommt. Weil auch die Voraussetzungen aus § 2 Nr. 1 b und c erfüllt waren, unterfallen die Zugangsdaten und Passwörter laut dem LG dem Geschäftsgeheimnisschutz.
Für die Praxis kann man mit Blick auf Zugangsdaten und Passwörter mitnehmen, dass diese individuell erstellt werden sollten und nur unter Zusage von Geheimhaltungsverpflichtungen Kunden zur Verfügung gestellt werden sollten. Sofern dann auch die mithilfe der Zugangsdaten und Passwörter abrufbaren Informationen für sich genommen Geschäftsgeheimnisse sind, gelten die Zugangsdaten und Passwörter in jedem Fall auch als Geschäftsgeheimnis.
Rechtsgrundlage der Beklagten für die Auskunft nach § 8 Abs. 1 GeschGehG
Im Ergebnis wurden dem Kläger mehrere Ansprüche zugestanden. Hierzu zählt auch der Auskunftsanspruch aus § 8 Abs. 1 GeschGehG. Unter Verweis auf diese Vorschrift hat das LG entschieden, dass der Kläger u.a. Anspruch darauf hat, Namen und Anschriften der Personen zu erhalten, die an der unberechtigten Weitergabe der Zugangsdaten beteiligt waren. Das LG hat – zugegebenermaßen ohne vertiefte Auseinandersetzung – angenommen, dass aufgrund des Urteils Art. 6 Abs. 1 lit. c oder auch Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO für die Herausgabe des Namens und der Anschrift passende Rechtsgrundlagen wären.
Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO i.V.m. dem Urteil des LG ist in der Tat eine passende Rechtsgrundlage. Denn der EuGH hat in verbundenen Rechtssachen C‑17/22 und C‑18/22 (hier in Rn. 70 ff.) entschieden, dass sich auch aus der Rechtsprechung nationaler Gerichte eine Rechtspflicht ergeben kann. In dem Urteil hatte der EuGH die Rechtsprechung vom BGH und OLG München erwähnt. Die relevante Rechtsprechung muss hinreichend klar und präzise und für die Rechtsunterworfenen vorhersehbar sein (siehe auch Erwägungsgrund 41 zur DSGVO). Mit Blick auf den Anspruch auf Herausgabe der Namen und Anschriften der Personen, die an der unberechtigten Weitergabe der Zugangsdaten beteiligt waren, ist dies auch für das Urteil des LG Nürnberg-Fürth der Fall. Die Beklagte kann klar und präzise und vorhersehbar ihre aus § 8 Abs. 1 GeschGehG und der Rechtsprechung des LG hervorgehende Rechtspflicht erkennen. Die Ausführungen des Gerichts zur datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlage sind also zwar sehr knappgehalten, aber im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Folgen für die Praxis
Wenn ein Unternehmen öffentlich verfügbare Informationen als Geschäftsgeheimnis schützen möchte, dann sollte es die folgenden Schritte unternehmen:
- die relevanten Informationen sollten vor der Offenlegung ggü. Kunden so strukturiert und organisiert werden, dass hierbei ein nicht zu vernachlässigender Aufwand entsteht;
- der Zugang zu den Daten sollte nur mit individuellen Zugangsdaten und dazugehörigen Passwörtern möglich sein und
- die Kunden sollten auf Geheimhaltung verpflichtet werden und die Weitergabe von Zugangsdaten und Passwörtern an Dritte vertraglich untersagt werden.
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Tracking und Auswertung von Leistungsdaten im Profisport
Die Datenerfassung im Leistungssport hat sich zu einem unverzichtbaren Instrument für moderne Sportorganisationen entwickelt. Vereine, Verbände und Unternehmen nutzen umfangreiche Datenanalysen zur Leistungsoptimierung und strategischen Entscheidungsfindung. Hierbei werden im Allgemeinen Leistungsdaten, aber mitunter auch sensible Gesundheitsdaten verarbeitet. Verantwortliche müssen die Anforderungen der DSGVO beachten und Rechtsgrundlagen für die Datennutzung nachweisen können. Dieser Beitrag beleuchtet, vor welchen rechtlichen Herausforderungen Vereine bei der Auswertung von Leistungs- und Gesundheitsdaten von Sportlern stehen und auf welche Rechtsgrundlagen sie diese Verarbeitung stützen können.
Der Beitrag von Dr. Carlo Piltz und Ilia Kukin aus dem DSB 10/2025 ist hier abrufbar.
Neue Entwicklungen im UN-Kaufrecht
Die zentrale Stellung des UN-Kaufrechts/CISG als juristische Basis für Export- und Importverträge wird heute nicht mehr infrage gestellt. Praktiker berichten von einer deutlichen Tendenz in den Unternehmen, ihre Außenhandelsgeschäfte gezielt auf das UN-Kaufrecht umzustellen. Ein Ausschluss des UN-Kaufrechts erklärt sich heute überwiegend mit mangelnder Vertrautheit mit seinen Inhalten und fehlender Neigung, diesem Zustand abzuhelfen, lässt sich angesichts der weitreichenden Dispositivität seiner Bestimmungen jedoch kaum mit nicht akzeptablen Lösungen des UN-Kaufrechts belegen. In Fortführung des Gliederungsschemas der vorangegangenen Berichtsaufsätze (zuletzt NJW 2023, ) wird die Liste der Vertragsstaaten aktualisiert und neben Hinweisen auf aktuelle Arbeitsmittel insbesondere die seit dem letzten Berichtsaufsatz bekannt gewordene in- und ausländische Rechtsprechung zum UN-Kaufrecht/CISG aufgearbeitet. 2542
EuGH-Urteil zum Personenbezug und Informationspflichten – pseudonymisierte Daten können für den Empfänger auch anonym sein
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Rechtswidrigkeit von (Gebühren) Bescheiden wegen DSGVO-Verstoß - Dürfen öffentliche Stellen ihre Verfahren automatisieren?
Automatisierte Entscheidungen unterliegen gem. Art. 22 DSGVO besonderen gesetzlichen Anforderungen, welche auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung gelten. Zentrale Voraussetzung für die Zulässigkeit solcher Entscheidungen ist das Vorliegen einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Fehlt diese, ist der Bescheid rechtswidrig. Wie die Verwaltungsgerichte damit umgehen, zeigt eine aktuelle Entscheidung des VG Bremen (Urt. v. 14.07.2025, 2 K 763/23).
Dürfen Datenschutzbehörden die Namen der sanktionierten Unternehmen veröffentlichen?
Sowohl die BfDI als auch die Landesdatenschutzbehörden informieren regelmäßig in Pressemitteilungen über aktuelle Bußgeldverfahren. Mitunter werden dabei auch die betroffenen Unternehmen namentlich genannt. Doch ist dieses Vorgehen überhaupt rechtlich zulässig und welche Grenzen haben die Behörden dabei einzuhalten? In anderen Rechtsgebieten existiert zu diesen Fragen durch umfangreiche Rechtsprechung - allerdings bislang nicht speziell im Bereich des Datenschutzrechts.
Geschäftsgeheimnisse und Auskunftsansprüche nach Art. 15 DSGVO: Spannungsfeld und Praxisfragen
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