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Europäisches Gericht entscheidet zur Personenbeziehbarkeit pseudonymisierter Daten
Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat am 26. April 2023 zur Personenbeziehbarkeit pseudonymisierter Daten entschieden. Es urteilte, dass es sich bei übermittelten pseudonymisierten Daten nicht um personenbezogene Daten i. S. v. Art. 3 Nr. 1 Verordnung (EU) 2018/1725 handelt, wenn der Schlüssel zur Depseudonymisierung nicht beim Empfänger vorhanden ist.
Die Entscheidung hat, auch wenn sie nicht direkt zur DSGVO, sondern der entsprechenden Verordnung zum Datenschutz bei EU-Institutionen ergangen ist, insbesondere für solche Fälle Praxisrelevanz, in denen Dienstleistern oder anderen Stellen nur pseudonymisierte Daten zur Verfügung gestellt werden.
Hintergrund
Die Verordnung (EU) 2018/1725 gilt für die Datenverarbeitung durch die Organe und Einrichtungen der Union (Art. 1 Abs. 1 und 2 Verordnung (EU) 2018/1725). Es handelt sich hierbei also um eine speziellere Verordnung, die abweichend von der allgemeineren DSGVO, gesondert die Verarbeitung personenbezogener Daten durch EU-Institutionen schützt (siehe auch Art. 2 Abs. 3 S. 1 DSGVO). Inhaltlich sind beide Verordnungen jedoch sehr ähnlich und zum Teil enthalten sie deckungsgleiche Regelungen.
Das EuG entschied im vorliegenden Fall über die Anwendung dieser spezielleren Verordnung. Zwar hat das EuG damit nicht konkret über Fragen der Personenbeziehbarkeit pseudonymisierter Daten nach der DSGVO entschieden. Jedoch handelt es sich, wie vorstehend erläutert, bei der Verordnung (EU) 2018/1725 um eine „der DSGVO verwandte Verordnung“, weshalb die Entscheidung auch in Bezug auf die DSGVO von einer gewissen Relevanz ist.
Sachverhalt
Der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) entschied auf Grundlage der Verordnung (EU) 2018/1725, dass der sog. Einheitliche Abwicklungsausschuss (SRB), ein Gremium zur Abwicklung von insolvenzbedrohten Finanzinstituten, personenbezogene Daten unrechtmäßig an Dritte übermittelt habe.
Dieser Entscheidung lag die Situation zugrunde, dass der SRB im Rahmen der Abwicklung eines Bankinstituts pseudonymisierte Daten an ein Beratungsunternehmen übermittelte.
Diese Pseudonymisierung fand wie folgt statt: In einer ersten Phase konnten sich Anteilseigner (der Bank) mit ihren Identitätsnachweisen beim SRB registrieren und eine Stellungnahme zur vorläufigen Entscheidung des SRB abgeben. In der darauffolgenden Konsultationsphase verglichen, ordneten und gewichteten Mitarbeiter die eingereichten Stellungnahmen. Während dieser Konsultationsphase enthielten die von den Anteilseignern eingereichten Stellungnahmen jedoch nur noch eine alphanumerische 33-stellige Identifikationsnummer. Die Mitarbeiter, die die Stellungnahmen verglichen, ordneten und gewichteten, konnten die Anteilseigner also nicht anhand ihrer konkreten Identifikationsnachweise identifizieren. Ein nicht näher relevanter Verfahrensschritt in der Abwicklung ergab es schließlich, dass einige der Stellungnahmen für eine weitere Bewertung an ein Beratungsunternehmen übermittelt werden mussten. Wichtig ist, dass das Beratungsunternehmen zu keiner Zeit über die Mittel verfügte, den jeweiligen Anteilseigner anhand der 33-stelligen Identifikationsnummer zu reidentifizieren. Über diese Möglichkeit verfügte stets nur SRB.
Entscheidungsgründe
Stein des Anstoßes war, dass das Beratungsunternehmen nicht in der Datenschutzerklärung vom SRB als Empfängerin aufgelistet war. Darin sah der EDSB einen Verstoß gegen die Informationspflichten nach Art. 15 Abs. 1 lit. d) Verordnung (EU) 2018/1725. Gegen diese Entscheidung wandte sich der SRB an das EuG, um die Entscheidung des EDSB für nichtig erklären zu lassen.
Kern der Auseinandersetzung war dabei die Frage, ob es sich bei der alphanumerischen Identifikationsnummer überhaupt um personenbezogene Daten i. S. v. Art. 3 Nr. 1 und 15 Abs. 1 lit. d) Verordnung (EU) 2018/1725 handelt. Wäre Letzteres nicht gegeben, so hätte der SRB auch nicht über das Beratungsunternehmen als Empfänger in seiner Datenschutzerklärung informieren müssen.
Zur Beantwortung der gestellten Frage legt das Gericht die vorstehende Verordnung und die Rechtsprechung des EuGH recht trickreich aus.
Es bezieht sich dabei auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache Breyer. Der EuGH hatte in dieser Entscheidung geurteilt, dass es für die Frage, ob es sich bei übermittelten Informationen um personenbezogene Daten handelt, auch auf das Verständnis des Empfängers ankommt, das dieser von den übermittelten Daten hat. Der EuG stellt weiter fest, dass der EDSB hätte untersuchen müssen, ob das empfangende Beratungsunternehmen anhand der übermittelten Informationen deren Verfasser (= Anteilseigner) rückidentifizieren kann und ob diese Rückidentifizierung hinreichend wahrscheinlich ist. Allein der Umstand, dass der SRB über zusätzliche Informationen verfüge, mit denen eine Rückidentifizierung möglich ist, reiche demnach nicht für die Annahme des EDSB aus, dass die an die Empfängerin übermittelten Informationen personenbezogene Daten sind. Dies ist deshalb relevant, da nur der SRB über den Schlüssel zur Reidentifizierung der Nutzer verfügt, nicht aber das Beratungsunternehmen. Da das empfangende Beratungsunternehmen also nicht über den Depseudonymisierungsschlüssel verfügt, handelte es sich bei den übermittelten Daten für dieses Unternehmen auch nicht um personenbezogene Daten i. S. v. Art. 3 Nr. 1 Verordnung (EU) 2018/1725.
Schlussfolgerungen & Empfehlungen
Das Urteil ist deshalb bemerkenswert, da es ebenso wie in ErwG 26 S. 2 DSGVO auch in ErwG 16 S. 2 Verordnung (EU) 2018/1725 heißt, dass einer Pseudonymisierung unterzogene personenbezogene Daten, die durch Heranziehung zusätzlicher Informationen einer natürlichen Person zugeordnet werden könnten, als Informationen über eine identifizierbare natürliche Person betrachtet werden sollten. Anders ausgedrückt: Obwohl das Gericht nicht bestreitet, dass es sich um pseudonymisierte Daten handelt, sollen solche hier nicht vorliegen, da das empfangende Beratungsunternehmen nicht über den Reidentifizierungsschlüssel verfügt.
Pseudonymisierte Daten (und damit personenbezogene Daten) liegen danach also nur für jene Stelle vor, die auch tatsächlich über die Mittel verfügt, die Depseudonymisierung vorzunehmen.
Zukünftig könnten Unternehmen als datenschutzrechtlich Verantwortliche, die z. B. Dienstleister einsetzen, die „nur“ verschlüsselte / pseudonymisierte Daten für sie verarbeiten, auf der Basis dieses Urteils mglw. argumentieren, dass der Abschluss eines Auftragsverarbeitungsvertrags nicht erforderlich ist. Denn nach der Argumentation des EuG handelt es sich gerade nicht um personenbezogene Daten für den Auftragsverarbeiter, wenn dieser nicht über den Entschlüsselungsschlüssel verfügt.
Trotzdessen sollten Verantwortliche nun nicht gleich auf den Abschluss von Auftragsverarbeitungsverträgen oder sonstigen Datenschutzvereinbarungen verzichten. Denn es gilt zu bedenken, dass es sich „lediglich“ um eine Entscheidung des EuG handelt. Dieses Gericht bildet die erste Instanz auf europäischer Ebene. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) bildet dagegen die zweite Instanz. Er ist zum einen Berufungsinstanz sowie zum anderen zuständig für institutionelle Fragen. Das letzte bzw. höchstrichterliche Wort zum Thema pseudonymisierte Daten und Personenbezug ist daher noch nicht gesprochen.
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Weiterer Fachaufsatz zum Training von KI-Modellen aus datenschutzrechtlicher Sicht
In der aktuellen Ausgabe 02/2025 (EuDIR 2025, 90) der Zeitschrift für Europäisches Daten- und Informationsrecht (EuDIR) wurde ein Beitrag von Dr. Carlo Piltz und Alexander Weiss mit dem Titel „Datenschutzrechtliche Rechtsgrundlagen für das Training von KI-Modellen“ veröffentlicht.
In dem Aufsatz wird aufgezeigt, welche datenschutzrechtlichen Erlaubnistatbestände aus der DSGVO in bestimmten Fallkonstellationen herangezogenen werden können, wenn KI-Modelle mit personenbezogenen Daten trainiert werden. Zudem werden auch Fragestellungen zur Zweckänderung (Art. 6 Abs. 4 DSGVO) und zur Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 DSGVO) erörtert.
Das Inhaltsverzeichnis der Zeitschrift können Sie hier als PDF aufrufen.
Zweitverwendung personenbezogener Daten in der Forschung: EDSB-Studie zeigt dringenden Handlungsbedarf
Ob Biobank, klinische Studie oder KI-gestützte Gesundheitsforschung: Die Wiederverwendung bereits erhobener personenbezogener Daten für neue wissenschaftliche Fragestellungen – die sogenannte Zweitverarbeitung, Zweitverwendung oder Zweitnutzung – ist aus der modernen Forschung nicht mehr wegzudenken. Sie verspricht Effizienz, Erkenntnisgewinn und gesellschaftlichen Mehrwert. Doch das datenschutzrechtliche Fundament für solche Projekte ist häufig eher unsicher.
Relevante Vorgaben zum Einsatz von KI in Unternehmen und öffentlichen Stellen aus dem Tätigkeitsbericht 2024 des LfDI Baden-Württemberg
In seinem Tätigkeitsbericht für das Jahr 2024 hat sich der Landesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg (LfDI BaWü) unter anderem auch zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) geäußert. Insbesondere wird im Tätigkeitsbericht der Einsatz von KI in Schulen thematisiert (siehe S. 112 ff.). Die dort genannten Vorgaben lassen sich zum Großteil jedoch auch auf andere Sachverhalte anwenden.
Neue Zweifel an der Wirksamkeit des EU-U.S. Data Privacy Framework
Der LIBE-Ausschuss vom Europäischen Parlament hat am 6. Februar 2025 die Kommission darauf hingewiesen, dass das unter dem EU-U.S. Data Privacy Framework („DPF“) geschaffene Privacy and Civil Liberties Board nur noch mit einer Person besetzt ist (siehe dazu auch den Artikel bei Bloomberg). Die anderen Board-Mitglieder wurden von der Exekutive in den USA abberufen. Der Ausschuss bittet die Kommission eine dokumentierte Prüfung zur Verfügung zu stellen, die sich mit den Auswirkungen dieser Änderung befasst.
Neue Vorgaben zur Barrierefreiheit auf Websites und in Apps: Ein Überblick zu den Vorschriften des BFSG
Philip Schweers hat in der aktuellen Ausgabe 09/2025 des "Betriebs-Beraters" die nach dem 28. Juni 2025 geltenden Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz für Websites und Apps zusammengefasst.
Der Beitrag beschreibt ausführlich für welche Websites und Apps das BFSG gilt, welche Anforderungen bei dessen Umsetzung beachtet werden müssen und welche Konsequenzen bei Verstößen drohen.
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (Teil 4) – Folgen von Verstößen gegen das BFSG
Ab dem 29. Juni 2025 gelten die Vorgaben des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG). Um Sie rechtzeitig auf das BFSG vorzubereiten, befassen wir uns in unserer Beitragsreihe mit dessen Anforderungen. In Teil 1 haben wir uns einen kurzen Gesamtüberblick zum BFSG verschafft. In Teil 2 und Teil 3 haben wir uns angesehen, ob und welche Anforderungen aus dem BFSG für ihre Websites und Apps gelten. In Teil 4 befassen wir uns damit, was passiert, wenn ein Dienstleister, (z.B. der Anbieter eines Onlineshops) gegen die Vorgaben des BFSG verstößt und wie dieser sich gegen mögliche Rechtsfolgen wehren kann.