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DSGVO-Bußgeldverfahren: Mehr Klarheit durch Musterrichtlinien der DSK
Das Ziel der Richtlinien ist es, eine bundesweit einheitliche Vorgehensweise bei datenschutzrechtlichen Bußgeldverfahren zu schaffen. Für reine Verwaltungsverfahren, bei denen kein Bußgeld verhängt wird (z. B. Verwarnungen), gelten die Richtlinien gemäß Nr. 2 Abs. 1 S. 2 nicht. Nachfolgend stellen wir die wichtigsten Punkte aus den Richtlinien vor.
Zuständigkeit
Bei mehrfacher Zuständigkeit soll das Verfahren künftig durch eine Vereinbarung an eine einzige Behörde übertragen werden, wenn dies sachdienlich erscheint. Dies soll die Abläufe beschleunigen und für mehr Effizienz sorgen. Auch für Unternehmen ist diese Festlegung (soweit sie von den Behörden angewendet wird) vorteilhaft, da sie für Klarheit im Hinblick auf die Zuständigkeiten in Bußgeldverfahren sorgt.
Polizeiliche Anzeigen als Beschwerden nach Art. 77 DSGVO
Eine wichtige Regelung findet sich in Nr. 8 Abs. 2 der Musterrichtlinien: Anzeigen bei der Polizei können nun als Hinweis oder als Beschwerde im Sinne des Art. 77 DSGVO umgedeutet werden. Für betroffene Personen ist das von großer Bedeutung, da zuvor Unsicherheit bestand, ob eine solche Umdeutung zulässig ist, wenn kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. In der Vergangenheit wurde teilweise angenommen, dass mit dieser Entscheidung die Anzeige erledigt ist und daher eine gesonderte Beschwerde eingereicht werden muss. Die neue Regelung steht im Einklang mit dem Gesetzeszweck, den effektiven Schutz der Rechte Betroffener zu gewährleisten und trägt dem Umstand Rechnung, dass für Beschwerden nach Art. 77 DSGVO keine bestimmte Form vorgeschrieben ist. Für Unternehmen bedeutet das aber, dass das Risiko der Einleitung eines Bußgeldverfahrens etwas höher wird.
Rückgabe von Verfahren innerhalb der Behörde
Die Datenschutzbehörden in Deutschland haben eine Doppelrolle: Sie bearbeiten sowohl „klassische“ Verwaltungsverfahren als auch Bußgeldverfahren, die dem Ordnungswidrigkeitenrecht zuzuordnen sind. In der Vergangenheit war umstritten, ob ein Verfahren nach Übergabe an die Bußgeldstelle bei fehlendem Anfangsverdacht wieder an das Fachdezernat zurückgegeben werden darf. Die Richtlinien, die das nun explizit erlauben, schaffen hier mehr Klarheit. So kann die Behörde z. B. ein Unternehmen zunächst wegen eines beabsichtigten Bußgelds anhören, sich dann aber dennoch für eine Verwarnung entscheiden.
Meldung nach Art. 33 DSGVO
Nr. 9 Abs. 3 der Richtlinien regelt, dass das Verwendungsverbot aus § 43 Abs. 4 BDSG (bzw. aus entsprechenden Landesregelungen) nur greift, wenn die meldende Stelle mit ihrer Meldung ein Verschulden am Datenschutzverstoß einräumt oder auf ihr Verschulden daraus geschlossen werden kann. Das bedeutet: Werden lediglich Fakten gemeldet, aus denen kein Verschulden abgeleitet werden kann, dürfen diese Informationen im Bußgeldverfahren immer verwendet werden. Hierzu zwei Beispiele:
- Beispiel 1: Ein Unternehmen meldet, dass es am 22. Juni 2025 einen Hackerangriff gab. Diese Information ist verwertbar, da sie nichts über das Verschulden des Verantwortlichen aussagt. Die gemeldeten Umstände können in die Bewertung eines möglichen Verstoßes gegen Art. 32 DSGVO miteinfließen, etwa wenn sich später herausstellt, dass keine ausreichenden Schutzmaßnahmen vorhanden waren.
- Beispiel 2: Ein Unternehmen meldet, dass auf ausdrückliche Anweisung der Geschäftsführung Gesundheitsdaten ohne Schutzmaßnahmen nach China (oder in ein anderes Drittland ohne Angemessenheitsbeschluss) übermittelt wurden. Diese Information darf nur verwendet werden, wenn das Unternehmen der Verwertung nicht widerspricht.
Auskunftsersuchen im Verfahren
Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft Auskunftsersuchen im Bußgeldverfahren. Die Musterrichtlinien stellen klar: Unternehmen sind gegenüber der Datenschutzbehörde im Bußgeldverfahren grundsätzlich nicht zur Auskunft verpflichtet. Zwar ergibt sich das bereits aus dem Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit. In der Praxis war es aus Anhörungsschreiben nicht immer eindeutig klar.
Weitere Beweismittel sind dagegen nicht eingeschränkt. Die Zeugen können vernommen werden und Unternehmen müssen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, Beweismittel wie Datenträger vorlegen.
Mitteilungen an das Gewerbezentralregister
Datenschutzverstöße können grundsätzlich auch Auswirkungen auf die Gewerbeerlaubnis haben. Nr. 21 der Richtlinien sieht vor, dass Verstöße an das Gewerbezentralregister gemeldet werden können. Dies ist allerdings lediglich eine „Bestandsaufnahme“ der aktuellen Rechtslage. Ernsthafte Konsequenzen drohen nur bei schwerwiegenden Verstößen.
Mitteilungen an die Öffentlichkeit
Nr. 23 der Richtlinien regelt die Information an die Medien. Gerade bei Datenschutzverstößen großer Unternehmen besteht regelmäßig ein öffentliches Interesse an einer entsprechenden Berichterstattung. Die Behörden können selbst entscheiden, ob sie die Medien informieren, solange die Informationen sachlich und korrekt sind. Für Unternehmen kann dies im Ernstfall zu erheblichen Imageschäden führen.
Fazit
Die Musterrichtlinien sind ein wichtiger Schritt zur deutschlandweiten Harmonisierung der datenschutzrechtlichen Bußgeldverfahren. Sie sind überwiegend allgemein gehalten und lassen an einigen Stellen Raum für Interpretationen, beantworten aber auch viele bislang umstrittene Fragen. Den größten Mehrwert haben die Richtlinien für die Behörden selbst. Dies zeigt sich bereits an den teilweise sehr spezifischen Regelungen, die darauf abzielen, praktische Probleme aus dem Behördenalltag zu lösen. Dennoch können auch Unternehmen wertvolle Erkenntnisse daraus ableiten.
Ein genauer Zeitplan für die Umsetzung der Richtlinien als Verwaltungsvorschriften steht noch nicht fest. Aufgrund des großen Umsetzungsinteresses der Behörden ist damit wohl noch bis Ende 2025 zu rechnen.
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FAQ: Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Verhängung von Bußgeldern nach der DSGVO (C-807/21)
FAQ: Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Verhängung von Bußgeldern nach der DSGVO (C-807/21)
- Worum ging es (Kurzfassung)?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 5.12.2023 (C-807/21) die Vorlagefragen des Kammergerichts Berlin (KG) in Bezug auf das im Oktober 2019 durch die Berliner Aufsichtsbehörde verhängte Bußgeld iHv. 14,5 Millionen Euro gegen die Deutsche Wohnen SE beantwortet
Europäischer Datenschutzausschuss: neue (strenge) Leitlinien zum technischen Anwendungsbereich der "Cookie-Vorgaben" (§ 25 TTDSG)
Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) hat am 15.11.2023 eine Leitlinie zum technischen Anwendungsbereich von Art. 5 (3) der Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation veröffentlicht. Die Leitlinie soll klarstellen, welche Trackingtechnologien von der ePrivacy-Richtlinie (ePrivacyRL) konkret erfasst und damit grundsätzlich einwilligungsbedürftig sind. In Deutschland wurden die Anforderungen der ePrivacyRL in § 25 TTDSG umgesetzt.
Entscheidung des EuGH zur FIN und generellen Aspekten des Personenbezugs
Die Folgen der Entscheidung des EuGH in der Rs. C‑319/22 vom 9. November 2023 werden sicherlich noch lange in der Datenschutz-Szene diskutiert. Es ist in jedem Fall jetzt schon klar, dass das Urteil in der Automobilbranche und daran angrenzende Sektoren aber auch allgemein im Bereich Datenschutz große Wellen schlagen wird. Doch scheint unklar zu sein, ob das auch gerechtfertigt ist oder im Wesentlichen dieselben Aspekte wie vor der Entscheidung bei der Klärung der Frage nach dem Vorliegen eines Personenbezugs zu beachten sind. In dem vom EuGH behandelten Fall wird jedenfalls erst durch das Landgericht Köln entschieden werden, ob für die Fahrzeughersteller und unabhängigen Wirtschaftsakteure die FIN ein personenbezogenes Datum ist. Im EuGH-Urteil selbst findet man die Antwort jedenfalls noch nicht direkt und eindeutig
EU Data Act verabschiedet – worauf müssen sich die Unternehmen einstellen?
Am 9. November 2023 hat das Europäische Parlament den Data Act final verabschiedet. Dieser soll den Zugang und die Nutzung von Daten erleichtern, die durch Nutzer bei Inanspruchnahme von Produkten und Diensten generiert werden und umfasst sämtliche Nutzerdaten - unabhängig vom etwaigen Personenbezug. Die Auswirkungen sind aus diesem Grund weitreichend und den Unternehmen werden viele Pflichten auferlegt, insbesondere was die Einrichtung von Zugangsmöglichkeiten zu Daten für die Kunden sowie deren Möglichkeit zur Weitergabe an Dritte angeht.
LDA Brandenburg: BSI-Vorgaben zur IT-Sicherheit als „Stand der Technik“ nach Art. 32 DSGVO
Die Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht Brandenburg (LDA) hat am 10. November 2021 gegen einen Website-Betreiber eine Verwarnung nach Art. 58 Abs. 2 lit. b) DSGVO ausgesprochen. Grund für die Verwarnung war insbesondere die Bereitstellung einer Upload-Funktion für Bilder, die nicht ausreichend gesichert war und über die es Angreifern möglich gewesen war, eine Kundendatenbank auszulesen.
Die Behörde sah darin eine Verletzung der Art. 25 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 lit. b) DSGVO. Interessant an der Behördenentscheidung ist auch, dass diese einen Zusammenhang zwischen Art. 25 und Art. 32 DSGVO (Stand der Technik) und dem BSI-Grundschutz herstellt (hierzu sogleich mehr).
EuGH hat wieder zum Auskunftsanspruch entschieden – Zusammenfassung des Urteils in der Rs. C-307/22 vom 26. Oktober 2023
Während das Urteil in der Rs. C‑307/22 sich zwar mit dem speziellen Arzt-Patienten-Verhältnis beschäftigt, sind darin dennoch auch zahlreiche Aussagen enthalten, die allgemein für Erfüllung des Auskunftsanspruchs durch Unternehmen relevant sind. Das Urteil wird bereits munter in der Datenschutz-Szene diskutiert. Das ist auch deshalb verständlich, weil der EuGH einige hoch umstrittene Aspekte zum besonders praxisrelevanten Betroffenenrecht geklärt hat. In diesem Newsbeitrag finden Sie eine Zusammenfassung der aus unserer Sicht relevantesten Aussagen in der Entscheidung des EuGH sowie eine kurze Einschätzung zu den Folgen für die Praxis.