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DSGVO-Bußgeldverfahren: Mehr Klarheit durch Musterrichtlinien der DSK

Am 16. Juni 2025 hat die Datenschutzkonferenz (DSK) ihre Musterrichtlinien für das Verfahren zur Verhängung von Geldbußen vorgestellt. Die Landesdatenschutzbehörden planen nun, diese Richtlinien als Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Damit werden sich die Aufsichtsbehörden selbst verpflichten, die Vorgaben in zukünftigen Bußgeldverfahren einzuhalten.

Das Ziel der Richtlinien ist es, eine bundesweit einheitliche Vorgehensweise bei datenschutzrechtlichen Bußgeldverfahren zu schaffen. Für reine Verwaltungsverfahren, bei denen kein Bußgeld verhängt wird (z. B. Verwarnungen), gelten die Richtlinien gemäß Nr. 2 Abs. 1 S. 2 nicht. Nachfolgend stellen wir die wichtigsten Punkte aus den Richtlinien vor.

Zuständigkeit

Bei mehrfacher Zuständigkeit soll das Verfahren künftig durch eine Vereinbarung an eine einzige Behörde übertragen werden, wenn dies sachdienlich erscheint. Dies soll die Abläufe beschleunigen und für mehr Effizienz sorgen. Auch für Unternehmen ist diese Festlegung (soweit sie von den Behörden angewendet wird) vorteilhaft, da sie für Klarheit im Hinblick auf die Zuständigkeiten in Bußgeldverfahren sorgt.

Polizeiliche Anzeigen als Beschwerden nach Art. 77 DSGVO

Eine wichtige Regelung findet sich in Nr. 8 Abs. 2 der Musterrichtlinien: Anzeigen bei der Polizei können nun als Hinweis oder als Beschwerde im Sinne des Art. 77 DSGVO umgedeutet werden. Für betroffene Personen ist das von großer Bedeutung, da zuvor Unsicherheit bestand, ob eine solche Umdeutung zulässig ist, wenn kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. In der Vergangenheit wurde teilweise angenommen, dass mit dieser Entscheidung die Anzeige erledigt ist und daher eine gesonderte Beschwerde eingereicht werden muss. Die neue Regelung steht im Einklang mit dem Gesetzeszweck, den effektiven Schutz der Rechte Betroffener zu gewährleisten und trägt dem Umstand Rechnung, dass für Beschwerden nach Art. 77 DSGVO keine bestimmte Form vorgeschrieben ist. Für Unternehmen bedeutet das aber, dass das Risiko der Einleitung eines Bußgeldverfahrens etwas höher wird.

Rückgabe von Verfahren innerhalb der Behörde

Die Datenschutzbehörden in Deutschland haben eine Doppelrolle: Sie bearbeiten sowohl „klassische“ Verwaltungsverfahren als auch Bußgeldverfahren, die dem Ordnungswidrigkeitenrecht zuzuordnen sind. In der Vergangenheit war umstritten, ob ein Verfahren nach Übergabe an die Bußgeldstelle bei fehlendem Anfangsverdacht wieder an das Fachdezernat zurückgegeben werden darf. Die Richtlinien, die das nun explizit erlauben, schaffen hier mehr Klarheit. So kann die Behörde z. B. ein Unternehmen zunächst wegen eines beabsichtigten Bußgelds anhören, sich dann aber dennoch für eine Verwarnung entscheiden.

Meldung nach Art. 33 DSGVO

Nr. 9 Abs. 3 der Richtlinien regelt, dass das Verwendungsverbot aus § 43 Abs. 4 BDSG (bzw. aus entsprechenden Landesregelungen) nur greift, wenn die meldende Stelle mit ihrer Meldung ein Verschulden am Datenschutzverstoß einräumt oder auf ihr Verschulden daraus geschlossen werden kann. Das bedeutet: Werden lediglich Fakten gemeldet, aus denen kein Verschulden abgeleitet werden kann, dürfen diese Informationen im Bußgeldverfahren immer verwendet werden. Hierzu zwei Beispiele:

  • Beispiel 1: Ein Unternehmen meldet, dass es am 22. Juni 2025 einen Hackerangriff gab. Diese Information ist verwertbar, da sie nichts über das Verschulden des Verantwortlichen aussagt. Die gemeldeten Umstände können in die Bewertung eines möglichen Verstoßes gegen Art. 32 DSGVO miteinfließen, etwa wenn sich später herausstellt, dass keine ausreichenden Schutzmaßnahmen vorhanden waren.
  • Beispiel 2: Ein Unternehmen meldet, dass auf ausdrückliche Anweisung der Geschäftsführung Gesundheitsdaten ohne Schutzmaßnahmen nach China (oder in ein anderes Drittland ohne Angemessenheitsbeschluss) übermittelt wurden. Diese Information darf nur verwendet werden, wenn das Unternehmen der Verwertung nicht widerspricht.

Auskunftsersuchen im Verfahren

Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft Auskunftsersuchen im Bußgeldverfahren. Die Musterrichtlinien stellen klar: Unternehmen sind gegenüber der Datenschutzbehörde im Bußgeldverfahren grundsätzlich nicht zur Auskunft verpflichtet. Zwar ergibt sich das bereits aus dem Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit. In der Praxis war es aus Anhörungsschreiben nicht immer eindeutig klar.

Weitere Beweismittel sind dagegen nicht eingeschränkt. Die Zeugen können vernommen werden und Unternehmen müssen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, Beweismittel wie Datenträger vorlegen.

Mitteilungen an das Gewerbezentralregister

Datenschutzverstöße können grundsätzlich auch Auswirkungen auf die Gewerbeerlaubnis haben. Nr. 21 der Richtlinien sieht vor, dass Verstöße an das Gewerbezentralregister gemeldet werden können. Dies ist allerdings lediglich eine „Bestandsaufnahme“ der aktuellen Rechtslage. Ernsthafte Konsequenzen drohen nur bei schwerwiegenden Verstößen.

Mitteilungen an die Öffentlichkeit

Nr. 23 der Richtlinien regelt die Information an die Medien. Gerade bei Datenschutzverstößen großer Unternehmen besteht regelmäßig ein öffentliches Interesse an einer entsprechenden Berichterstattung. Die Behörden können selbst entscheiden, ob sie die Medien informieren, solange die Informationen sachlich und korrekt sind. Für Unternehmen kann dies im Ernstfall zu erheblichen Imageschäden führen.

Fazit

Die Musterrichtlinien sind ein wichtiger Schritt zur deutschlandweiten Harmonisierung der datenschutzrechtlichen Bußgeldverfahren. Sie sind überwiegend allgemein gehalten und lassen an einigen Stellen Raum für Interpretationen, beantworten aber auch viele bislang umstrittene Fragen. Den größten Mehrwert haben die Richtlinien für die Behörden selbst. Dies zeigt sich bereits an den teilweise sehr spezifischen Regelungen, die darauf abzielen, praktische Probleme aus dem Behördenalltag zu lösen. Dennoch können auch Unternehmen wertvolle Erkenntnisse daraus ableiten.

Ein genauer Zeitplan für die Umsetzung der Richtlinien als Verwaltungsvorschriften steht noch nicht fest. Aufgrund des großen Umsetzungsinteresses der Behörden ist damit wohl noch bis Ende 2025 zu rechnen.

Volljurist, Associate
Ilia Kukin
Volljurist, Associate
Ilia Kukin

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Zuständigkeitswirrwarr: Übersicht zur Zuständigkeit für die Überwachung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) bis zur Gründung der bundesweit zuständigen Marktüberwachungsbehörde

Seit dem 28. Juni 2025 gelten die Vorgaben des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG). Ursprünglich war geplant, dass eine bundesweit zuständige Behörde die Überwachung des BFSG übernehmen soll. Die sogenannte Marktüberwachungsstelle der Länder für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen (MLBF) mit Sitz in Sachsen-Anhalt befindet sich aber noch „in Errichtung“. Auf dem Internetangebot des Landes Sachsen-Anhalt finden sich zur MLBF derzeit lediglich ein Postfach, eine E-Mail-Adresse und eine Telefonnummer (hier abrufbar). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Behörden bis zur Errichtung der MLBF für die Überwachung des BFSG zuständig sind.

DSGVO-Bußgeldverfahren: Mehr Klarheit durch Musterrichtlinien der DSK

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Erste Schritte zur Umsetzung der Barrierefreiheit auf Websites

In etwa einem Monat gelten die Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) für viele Websites. Ab dem 29. Juni 2025 müssen die meisten Websites (und übrigens auch Apps) nicht nur barrierefrei sein, sondern auch eine Erklärung zur Barrierefreiheit enthalten.

In diesem Beitrag möchten wir Ihnen aufzeigen, welche Schritte Sie jetzt ergreifen können, um die Anforderungen des BFSG kurzfristig umzusetzen.

Datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit von Behörden bei zentraler Bereitstellung von IT-Fachverfahren

Um Behörden die Bestimmung der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit beim Einsatz von IT-Fachverfahren zu erleichtern, hat Philip Schweers in der aktuellen Ausgabe 05/2025 des Datenschutzberaters einen Beitrag veröffentlicht.

Den Beitrag können Sie hier kostenlos auf unserer Website als PDF abrufen.

Im Artikel beschreibt Herr Schweers ausführlich, wann aus Sicht des Europäischen Datenschutzausschusses und des Europäischen Gerichtshofs eine gemeinsame Verantwortlichkeit bei Beteiligung mehrerer öffentlicher Stellen in Betracht kommt. Auch für Datenschützer im Unternehmen kann der Beitrag interessant sein, da sich die Ausführungen im Grunde auch auf die Bereitstellung zentraler IT-Anwendungen im Konzern übertragen lassen.

Weiterer Fachaufsatz zum Training von KI-Modellen aus datenschutzrechtlicher Sicht

In der aktuellen Ausgabe 02/2025 (EuDIR 2025, 90) der Zeitschrift für Europäisches Daten- und Informationsrecht (EuDIR) wurde ein Beitrag von Dr. Carlo Piltz und Alexander Weiss mit dem Titel „Datenschutzrechtliche Rechtsgrundlagen für das Training von KI-Modellen“ veröffentlicht.

In dem Aufsatz wird aufgezeigt, welche datenschutzrechtlichen Erlaubnistatbestände aus der DSGVO in bestimmten Fallkonstellationen herangezogenen werden können, wenn KI-Modelle mit personenbezogenen Daten trainiert werden. Zudem werden auch Fragestellungen zur Zweckänderung (Art. 6 Abs. 4 DSGVO) und zur Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 DSGVO) erörtert.

 

Das Inhaltsverzeichnis der Zeitschrift können Sie hier als PDF aufrufen.

Zweitverwendung personenbezogener Daten in der Forschung: EDSB-Studie zeigt dringenden Handlungsbedarf

Ob Biobank, klinische Studie oder KI-gestützte Gesundheitsforschung: Die Wiederverwendung bereits erhobener personenbezogener Daten für neue wissenschaftliche Fragestellungen – die sogenannte Zweitverarbeitung, Zweitverwendung oder Zweitnutzung – ist aus der modernen Forschung nicht mehr wegzudenken. Sie verspricht Effizienz, Erkenntnisgewinn und gesellschaftlichen Mehrwert. Doch das datenschutzrechtliche Fundament für solche Projekte ist häufig eher unsicher.