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Betriebsvereinbarungen müssen auf DSGVO-Konformität geprüft werden
Die Auswirkungen der EuGH-Urteils in der Rechtssache C-34/21 vom 30.3.2023 wurden mit Blick auf § 26 BDSG und das eventuell kommende neuen Beschäftigtendatenschutzgesetzes schon mehrfach thematisiert (hierzu eine aktuelle Handreichung der Hessischen Datenschutzbehörde). Jedoch wird bislang nur selten darauf eingegangen, dass das Urteil auch weitreichende Konsequenzen für Betriebsvereinbarungen haben kann. Denn der EuGH hat festgestellt, dass die Vorgaben des Art. 88 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO auch für Betriebsvereinbarungen gelten. Unternehmen sollten das Urteil zum Anlass nehmen, ihre Betriebsvereinbarungen noch einmal zu prüfen. Sicherlich werden diese auch häufiger angepasst werden müssen, weil ggf. Vorgaben aus der DSGVO inhaltlich gleich übernommen wurden oder keine gegenüber den Vorgaben der DSGVO spezifischeren Regeln und ggf. auch keine geeigneten und besonderen Maßnahmen zum Schutz Betroffener getroffen wurden.
Die Entscheidung des EuGH
In seinem Urteil hat der EuGH festgestellt, dass ein nationales Gesetz, das auf Grundlage von Art. 88 DSGVO erlassen wurde und inhaltlich lediglich die Voraussetzungen aus der DSGVO wiederholt, die Vorgaben der DSGVO nicht erfüllt und nicht anwendbar ist. Das betraf im konkreten Fall die Rechtsgrundlagen aus dem Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz, die nur die Voraussetzungen aus Art. 6 Abs. 1 DSGVO inhaltlich wiederholten, ohne spezifische Vorgaben zu machen. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH dürfen Bestimmungen aus einer Verordnung aber nicht inhaltlich identisch in das nationale Recht übernommen werden. Hintergrund dessen ist, u.a. dass Adressaten einer Verordnung nicht annehmen sollen, dass eine Bestimmung aus dem nationalen Recht und nicht aus einer Verordnung stammt. Aus dem Urteil geht hervor, dass eine auf Grundlage von Art. 88 Abs. 1 DSGVO erlassene spezifischere Vorschrift nicht „lediglich (…) eine Wiederholung der in Art. 6 DSGVO genannten Bedingungen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten und der in Art. 5 DSGVO angeführten Grundsätze für diese Verarbeitung“ enthalten darf (Rn. 71 des Urteils).
Es wird auch darauf eingegangen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen: „Um als „spezifischere Vorschrift“ im Sinne von Art. 88 Abs. 1 DSGVO eingestuft werden zu können, muss eine Rechtsvorschrift (…) die Vorgaben von Art. 88 Abs. 2 DSGVO erfüllen“ (Rn. 74 des Urteils). Damit eine Bestimmung als „spezifisch“ gilt, muss diese einerseits einen „Regelungsgehalt haben (…), der sich von den allgemeinen Regeln der DSGVO unterscheidet“ (Rn. 74 des Urteils). Andererseits muss so eine Regelung auch „auf den Schutz der Rechte und Freiheiten der Beschäftigten hinsichtlich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten im Beschäftigungskontext abzielen und geeignete und besondere Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Person umfassen“ (Rn. 74 des Urteils).
Aus dem Urteil wird erkennbar, dass das europarechtliche Wiederholungsverbot nicht nur für den nationalen Gesetzgeber, sondern ebenfalls für solche Unternehmen und Stellen gilt, die eine Betriebsvereinbarung abschließen (so auch in der oben verlinkten Handreichung auf S. 8 unter „3.“). Art. 88 Abs. 2 DSGVO gilt ebenfalls für Betriebsvereinbarungen. Gemäß der Vorschrift müssen geeignete und besondere Maßnahmen in Betriebsvereinbarungen enthalten sein, die insbesondere die Transparenz, die Übermittlung personenbezogener Daten innerhalb einer Unternehmensgruppe und die Überwachungssysteme am Arbeitsplatz adressieren.
Empfehlungen für die Praxis
In der Praxis stellt sich nun die Frage, ob die vor dem EuGH-Urteil abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen schon jetzt die Voraussetzungen aus Art. 88 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO erfüllen. Sofern dies nicht der Fall ist, gilt für solche Betriebsvereinbarungen insgesamt oder für die einzelnen nicht den Anforderungen entsprechenden Regelungen dasselbe Schicksal wie für die Vorschriften aus dem Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz. Sie sind in solchen Fällen schlicht nicht anwendbar. Sofern eine gesamte Betriebsvereinbarung nicht die Anforderungen aus Art. 88 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO erfüllt, ist diese quasi wertlos. Ein Verstoß gegen Art. 88 Abs. 1 oder Abs. 2 DSGVO führt im schlimmsten Fall dazu, dass die Betriebsvereinbarung nicht mehr als Rechtsgrundlage verwendet werden kann.
Unternehmen sollten deswegen prüfen, ob sie bereits vor dem EuGH-Urteil die Vorgaben aus der DSGVO hinreichend umgesetzt haben, und daran anschließend erforderlichenfalls tätig werden. Es ist dabei darauf zu achten, dass eigentlich aus der DSGVO stammende Vorgaben nicht als Reglungen „verkauft werden“, die originär aus der Betriebsvereinbarung stammen. In dem Kontext sind Referenzen auf Vorgaben aus der DSGVO zwar zulässig, aber sie müssen als solche auch deutlich erkennbar sein. Andernfalls könnten Beschäftigte annehmen, dass die Regelung nur aus der Betriebsvereinbarung und nicht etwa aus der DSGVO selbst stammt. Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob Betriebsvereinbarungen spezifische Vorgaben zur Gewährleistung des Schutzes von Rechten und Freiheiten der Beschäftigten vorsehen und geeignete und besondere Maßnahmen enthalten. Ist dies nicht der Fall, dann muss nachgebessert werden.
Veranstaltungshinweis u.a. zum Beschäftigtendatenschutz
Auf dem von uns veranstalteten Fränkischen Datenschutztag 2023 (28. und 29. Juni 2023 in Würzburg) wird Dr. Stefan Brink zu dem Thema "Aktuelle Entwicklungen im Beschäftigtendatenschutz" vortragen und sicher auch die Entscheidung des EuGH und ihre Auswirkungen betrachten. Sie können sich noch per E-Mail an Events@piltz.legal anmelden.
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Neue Entwicklungen im UN-Kaufrecht
Die zentrale Stellung des UN-Kaufrechts/CISG als juristische Basis für Export- und Importverträge wird heute nicht mehr infrage gestellt. Praktiker berichten von einer deutlichen Tendenz in den Unternehmen, ihre Außenhandelsgeschäfte gezielt auf das UN-Kaufrecht umzustellen. Ein Ausschluss des UN-Kaufrechts erklärt sich heute überwiegend mit mangelnder Vertrautheit mit seinen Inhalten und fehlender Neigung, diesem Zustand abzuhelfen, lässt sich angesichts der weitreichenden Dispositivität seiner Bestimmungen jedoch kaum mit nicht akzeptablen Lösungen des UN-Kaufrechts belegen. In Fortführung des Gliederungsschemas der vorangegangenen Berichtsaufsätze (zuletzt NJW 2023, ) wird die Liste der Vertragsstaaten aktualisiert und neben Hinweisen auf aktuelle Arbeitsmittel insbesondere die seit dem letzten Berichtsaufsatz bekannt gewordene in- und ausländische Rechtsprechung zum UN-Kaufrecht/CISG aufgearbeitet. 2542
EuGH-Urteil zum Personenbezug und Informationspflichten – pseudonymisierte Daten können für den Empfänger auch anonym sein
Das EuGH-Urteil in der Rechtssache EDSB vs. SRB (Rs. C‑413/23 P) und dessen Folgen für die Rechtsanwendung werden derzeit zu Recht kontrovers diskutiert. In dem Urteil geht es zwar um Bestimmungen aus der Verordnung 2018/1725, die für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union gilt. Der EuGH hat aber ausdrücklich entschieden, dass der Begriff „personenbezogene Daten“ in dieser Verordnung und der DSGVO und der nicht mehr gültigen Richtlinie 95/46 EG identisch auszulegen ist (Rn. 52). Das Urteil ist für Unternehmen und mitgliedstaatliche Behörden gleichermaßen bedeutsam.
Rechtswidrigkeit von (Gebühren) Bescheiden wegen DSGVO-Verstoß - Dürfen öffentliche Stellen ihre Verfahren automatisieren?
Automatisierte Entscheidungen unterliegen gem. Art. 22 DSGVO besonderen gesetzlichen Anforderungen, welche auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung gelten. Zentrale Voraussetzung für die Zulässigkeit solcher Entscheidungen ist das Vorliegen einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Fehlt diese, ist der Bescheid rechtswidrig. Wie die Verwaltungsgerichte damit umgehen, zeigt eine aktuelle Entscheidung des VG Bremen (Urt. v. 14.07.2025, 2 K 763/23).
Dürfen Datenschutzbehörden die Namen der sanktionierten Unternehmen veröffentlichen?
Sowohl die BfDI als auch die Landesdatenschutzbehörden informieren regelmäßig in Pressemitteilungen über aktuelle Bußgeldverfahren. Mitunter werden dabei auch die betroffenen Unternehmen namentlich genannt. Doch ist dieses Vorgehen überhaupt rechtlich zulässig und welche Grenzen haben die Behörden dabei einzuhalten? In anderen Rechtsgebieten existiert zu diesen Fragen durch umfangreiche Rechtsprechung - allerdings bislang nicht speziell im Bereich des Datenschutzrechts.
Geschäftsgeheimnisse und Auskunftsansprüche nach Art. 15 DSGVO: Spannungsfeld und Praxisfragen
Unternehmen sehen sich häufig mit Auskunftsanfragen betroffener Personen konfrontiert, deren Beantwortung auch Geschäftsgeheimnisse betreffen kann. Dies gilt etwa in Fällen, in denen Unternehmen Informationen zu algorithmischen Entscheidungsprozessen gem. Art. 15 Abs. 1 lit. h DSGVO offenlegen müssen. Aber auch klassische Geschäftsgeheimnisse wie interne Dokumentationen, etwa Kundenlisten oder Produktspezifikationen, können von der Auskunftspflicht nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO betroffen sein.
Zuständigkeitswirrwarr: Übersicht zur Zuständigkeit für die Überwachung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) bis zur Gründung der bundesweit zuständigen Marktüberwachungsbehörde
Seit dem 28. Juni 2025 gelten die Vorgaben des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG). Ursprünglich war geplant, dass eine bundesweit zuständige Behörde die Überwachung des BFSG übernehmen soll. Die sogenannte Marktüberwachungsstelle der Länder für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen (MLBF) mit Sitz in Sachsen-Anhalt befindet sich aber noch „in Errichtung“. Auf dem Internetangebot des Landes Sachsen-Anhalt finden sich zur MLBF derzeit lediglich ein Postfach, eine E-Mail-Adresse und eine Telefonnummer (hier abrufbar). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Behörden bis zur Errichtung der MLBF für die Überwachung des BFSG zuständig sind.