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Belgischer Staatsrat: Drittlandsübermittlung an AWS kann unter gewissen Umständen DSGVO-konform sein
Der belgische Staatsrat, ein außergerichtliches Beratungs- und Rechtsprechungsorgan, das die Exekutive in Belgien überwacht, äußerte sich kürzlich in einem Eilrechtsschutzverfahren in bemerkenswerter Weise zum Thema Drittlandsübermittlungen an den US-amerikanischen Cloud-Dienst Amazon Web Services (AWS).
Der Entscheidung des Staatsrats vorausgegangen war die Zuschlagserteilung einer flämischen Behörde an eine in der EU ansässige Niederlassung eines US-Unternehmens in einem Vergabeverfahren für die Errichtung und den Betrieb eines sog. Mobilitätszentrums. Das Mobilitätszentrum wird aufgrund eines Dekrets der Verwaltungsregion Flandern errichtet, um die flämische Behörde für Mobilität und öffentliche Arbeiten (Flemish Department of Mobility and Public Works - DMOW) bei der Entwicklung einer langfristigen Vision für nachhaltige Mobilität in der flämischen Region und der Überwachung und Umsetzung der regionalen Mobilitätspolitik, einschließlich der Umsetzung des neuen Dekrets zu unterstützen. Für die Ausführung des Vergabeauftrags beabsichtigt das US-Unternehmen, AWS einzusetzen. Dabei sollen die „normalen“ personenbezogenen Daten i. S. d. Art. 4 Nr. 1 DSGVO aller Nutzer der Mobilitätszentrale (u. a. Adresse, Uhrzeit, Identifikationsdaten, Benutzername, Login, Bankdaten für die Abrechnung, usw.) aber auch besondere Kategorien personenbezogener Daten i. S. v. Art. 9 Abs. 1 DSGVO (u. a. körperliche Einschränkungen der Nutzer) in AWS verarbeitet werden.
Ein niederländisches Unternehmen, das für den zu vergebenden Auftrag nicht ausgewählt wurde, griff diese Entscheidung vor dem Staatsrat mit der Begründung an, dass die Bestimmungen der DSGVO u. a. im Hinblick auf die Vorgaben zur Drittlandsübermittlung verletzt wurden, da in den USA kein angemessener Schutz der Daten gewährleistet werden könne. Das niederländische Unternehmen stützte sich insbesondere auf eine Stellungnahme der flämischen Datenschutzkommission („Vlaamse Toezichtcommissie voor de verwerking van persoonsgegevens“), wonach die Nutzung von AWS grundsätzlich nicht mit dem Schrems-II-Urteil und der DSGVO vereinbar sei.
Der Staatsrat entschied dementgegen, dass das Schrems II-Urteil nicht per se mit Blick auf das Datenschutzniveau in den USA Datenübermittlungen aus der EU auf Grundlage der sog. Standardvertragsklauseln (Art. 46 Abs. 2 lit. c) DSGVO) verbiete. Vielmehr sei es Aufgabe des für die Verarbeitung Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Standardvertragsklauseln bei der Übermittlung in ein Drittland eingehalten werden können. Sofern sich bei der Prüfung herausstellen sollte, dass die Standardvertragsklauseln in Anbetracht des Rechts des Bestimmungslandes nicht eingehalten werden können, sei es Aufgabe des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters, zu prüfen, welche zusätzlichen Schutzmaßnahmen getroffen werden können, um die festgestellten Lücken zu schließen und ein der DSGVO vergleichbares Datenschutzniveau sicherzustellen. Das Gericht verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) in seinen Empfehlungen für zusätzliche Schutzmaßnahmen hinsichtlich Drittlandsübermittlungen aber auch die vom Kläger zitierte flämische Datenschutzkommission nicht per se die Verwendung von Verschlüsselung als eine solche zusätzliche Schutzmaßnahme ablehnten und dass diese unter bestimmten Umständen eine angemessene zusätzliche Schutzmaßnahme zu den sog. Standardvertragsklauseln darstellen könne. Ferner wies der Staatsrat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Verschlüsselungsschlüssel, also der Schlüssel, mit dem die Daten verschlüsselt werden, bevor sie an AWS übermittelt werden, im streitgegenständlichen Fall ausschließlich in den Händen der „flämischen Berufsorganisation“ (wohl also dem Mobilitätszentrum) verbleibe. Zudem hat das US-amerikanische Unternehmen, das den Zuschlag für die Vergabe erhielt, laut dem Urteil eine Reihe von Garantien geboten, was ebenfalls den zusätzlichen Schutzmaßnahmen gemäß dem Schrems II-Urteil des EuGH und den Empfehlungen des EDSA Rechnung trage. In Anbetracht der vorstehenden Gründe erkennt der Staatsrat keine hinreichende Glaubhaftmachung der Verletzung der Art. 44 ff. DSGVO.
Der EDSA führt in seinen vorstehend erwähnten Empfehlungen tatsächlich eine ganze Reihe an beispielhaften Empfehlungen an, die angemessene zusätzliche Schutzmaßnahmen i. S. d. Schrems II-Urteils darstellen können (siehe Empfehlungen für zusätzliche Schutzmaßnahmen hinsichtlich Drittlandsübermittlungen, Rn. 79 ff.). Nach einem vom EDSA angeführten Beispiel kann Verschlüsselung bei Inanspruchnahme eines Hosting-Dienstleisters in einem Drittland unter den folgenden Voraussetzungen eine angemessene zusätzliche Schutzmaßnahme i. S. d. Schrems II-Urteils sein:
Wenn (siehe Empfehlungen für zusätzliche Schutzmaßnahmen hinsichtlich Drittlandsübermittlungen, Rn. 84),
- die personenbezogenen Daten vor der Übertragung mit einer starken Verschlüsselung verarbeitet werden und die Identität des Importeurs überprüft wird,
- der Verschlüsselungsalgorithmus und seine Parametrisierung (z. B. Schlüssellänge, ggf. Betriebsmodus) dem Stand der Technik entsprechen und unter Berücksichtigung der den Behörden im Empfängerland zur Verfügung stehenden Ressourcen und technischen Möglichkeiten (z. B. Rechenleistung für Brute-Force-Angriffe) als robust gegenüber Kryptoanalysen angesehen werden können,
- die Stärke der Verschlüsselung und die Schlüssellänge dem spezifischen Zeitraum Rechnung tragen, in dem die Vertraulichkeit der verschlüsselten personenbezogenen Daten gewahrt bleiben muss,
- der Verschlüsselungsalgorithmus korrekt und durch ordnungsgemäß gewartete Software ohne bekannte Schwachstellen implementiert wird, deren Konformität mit der Spezifikation des gewählten Algorithmus z. B. durch eine Zertifizierung überprüft worden ist,
- die Schlüssel zuverlässig verwaltet werden (Erzeugung, Verwaltung, Speicherung, gegebenenfalls Verknüpfung mit der Identität eines vorgesehenen Empfängers und Widerruf) und
- die Schlüssel ausschließlich unter der Kontrolle des Datenexporteurs oder einer vom Exporteur vertrauenswürdigen Stelle im EWR oder in einer Rechtsordnung aufbewahrt werden, die ein im Wesentlichen gleichwertiges Schutzniveau wie innerhalb des EWR gewährleistet.
Der Staatsrat liegt mit seiner Entscheidung im Eilrechtsschutz bisher ausweislich der Urteilsgründe auf der Linie des EDSA. Ob auch alle der vorstehend genannten Vorgaben im Einzelnen geklärt wurden, muss der Staatsrat wohl im Hauptsacheverfahren klären. Besondere Bedeutung kommt dem vorstehenden Punkt 6 (alleinige Kontrolle des Verschlüsselungsschlüssels durch den Datenexporteur) zu. Diese Option bietet inzwischen nicht nur AWS, sondern z. B. auch der Cloud-Dienst von Microsoft mit dem Namen Azure. Gerade dieser letzte Aspekt (oft auch „bring you own key“ genannt) hat besondere Praxisrelevanz für Unternehmen, die auf Dienste von Unternehmen in den USA zurückgreifen möchten.
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Tracking und Auswertung von Leistungsdaten im Profisport
Die Datenerfassung im Leistungssport hat sich zu einem unverzichtbaren Instrument für moderne Sportorganisationen entwickelt. Vereine, Verbände und Unternehmen nutzen umfangreiche Datenanalysen zur Leistungsoptimierung und strategischen Entscheidungsfindung. Hierbei werden im Allgemeinen Leistungsdaten, aber mitunter auch sensible Gesundheitsdaten verarbeitet. Verantwortliche müssen die Anforderungen der DSGVO beachten und Rechtsgrundlagen für die Datennutzung nachweisen können. Dieser Beitrag beleuchtet, vor welchen rechtlichen Herausforderungen Vereine bei der Auswertung von Leistungs- und Gesundheitsdaten von Sportlern stehen und auf welche Rechtsgrundlagen sie diese Verarbeitung stützen können.
Der Beitrag von Dr. Carlo Piltz und Ilia Kukin aus dem DSB 10/2025 ist hier abrufbar.
Neue Entwicklungen im UN-Kaufrecht
Die zentrale Stellung des UN-Kaufrechts/CISG als juristische Basis für Export- und Importverträge wird heute nicht mehr infrage gestellt. Praktiker berichten von einer deutlichen Tendenz in den Unternehmen, ihre Außenhandelsgeschäfte gezielt auf das UN-Kaufrecht umzustellen. Ein Ausschluss des UN-Kaufrechts erklärt sich heute überwiegend mit mangelnder Vertrautheit mit seinen Inhalten und fehlender Neigung, diesem Zustand abzuhelfen, lässt sich angesichts der weitreichenden Dispositivität seiner Bestimmungen jedoch kaum mit nicht akzeptablen Lösungen des UN-Kaufrechts belegen. In Fortführung des Gliederungsschemas der vorangegangenen Berichtsaufsätze (zuletzt NJW 2023, ) wird die Liste der Vertragsstaaten aktualisiert und neben Hinweisen auf aktuelle Arbeitsmittel insbesondere die seit dem letzten Berichtsaufsatz bekannt gewordene in- und ausländische Rechtsprechung zum UN-Kaufrecht/CISG aufgearbeitet. 2542
EuGH-Urteil zum Personenbezug und Informationspflichten – pseudonymisierte Daten können für den Empfänger auch anonym sein
Das EuGH-Urteil in der Rechtssache EDSB vs. SRB (Rs. C‑413/23 P) und dessen Folgen für die Rechtsanwendung werden derzeit zu Recht kontrovers diskutiert. In dem Urteil geht es zwar um Bestimmungen aus der Verordnung 2018/1725, die für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union gilt. Der EuGH hat aber ausdrücklich entschieden, dass der Begriff „personenbezogene Daten“ in dieser Verordnung und der DSGVO und der nicht mehr gültigen Richtlinie 95/46 EG identisch auszulegen ist (Rn. 52). Das Urteil ist für Unternehmen und mitgliedstaatliche Behörden gleichermaßen bedeutsam.
Rechtswidrigkeit von (Gebühren) Bescheiden wegen DSGVO-Verstoß - Dürfen öffentliche Stellen ihre Verfahren automatisieren?
Automatisierte Entscheidungen unterliegen gem. Art. 22 DSGVO besonderen gesetzlichen Anforderungen, welche auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung gelten. Zentrale Voraussetzung für die Zulässigkeit solcher Entscheidungen ist das Vorliegen einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Fehlt diese, ist der Bescheid rechtswidrig. Wie die Verwaltungsgerichte damit umgehen, zeigt eine aktuelle Entscheidung des VG Bremen (Urt. v. 14.07.2025, 2 K 763/23).
Dürfen Datenschutzbehörden die Namen der sanktionierten Unternehmen veröffentlichen?
Sowohl die BfDI als auch die Landesdatenschutzbehörden informieren regelmäßig in Pressemitteilungen über aktuelle Bußgeldverfahren. Mitunter werden dabei auch die betroffenen Unternehmen namentlich genannt. Doch ist dieses Vorgehen überhaupt rechtlich zulässig und welche Grenzen haben die Behörden dabei einzuhalten? In anderen Rechtsgebieten existiert zu diesen Fragen durch umfangreiche Rechtsprechung - allerdings bislang nicht speziell im Bereich des Datenschutzrechts.
Geschäftsgeheimnisse und Auskunftsansprüche nach Art. 15 DSGVO: Spannungsfeld und Praxisfragen
Unternehmen sehen sich häufig mit Auskunftsanfragen betroffener Personen konfrontiert, deren Beantwortung auch Geschäftsgeheimnisse betreffen kann. Dies gilt etwa in Fällen, in denen Unternehmen Informationen zu algorithmischen Entscheidungsprozessen gem. Art. 15 Abs. 1 lit. h DSGVO offenlegen müssen. Aber auch klassische Geschäftsgeheimnisse wie interne Dokumentationen, etwa Kundenlisten oder Produktspezifikationen, können von der Auskunftspflicht nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO betroffen sein.