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Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (Teil 3) – Was bedeutet Barrierefreiheit für meine Website oder App?

Nachdem wir uns in Teil 2 unserer Beitragsreihe zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) damit befasst haben für welche Apps und Websites das BFSG gilt, stellen wir Ihnen in Teil 3 vor, welche konkreten Anforderungen an die Barrierefreiheit gelten.

Was bedeutet eigentlich Barrierefreiheit?

Die Vorgaben des BFSG sollen Menschen mit den funktionellen Einschränkungen (vor allem Menschen mit einer Behinderung) den Zugang zu digitalen Dienstleistungen zu erleichtern. Doch wie genau soll das in der Praxis funktionieren?

Nach dem BFSG ist ein Produkt oder Dienst barrierefrei, wenn er von „Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar“ ist. Dazu muss dieser die Vorgaben aus der Verordnung zum BFSG (BFSGV) einhalten.

Einhaltung des BFSG durch Umsetzung der abstrakten Vorgaben der BFSGV

In der BFSGV hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die eher abstrakt gehaltenen Vorgaben zur Barrierefreiheit aus dem European Accessibility Act (Richtlinie (EU) 2019/882) übernommen. Nach den Vorgaben des BFSGV müssen Dienstleister ihre Websites und Apps entsprechend der vier Grundprinzipien der Barrierefreiheit „wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust“ gestalten. Das bedeutet Folgendes:

  • Wahrnehmbarkeit – Funktionen und Inhalte einer Website sollen durch alle Menschen wahrgenommen werden können. Grundlage hierfür ist das Zwei-Kanal-Prinzip, nach dem alle Inhalte mindestens über zwei Sinneskanäle wahrgenommen werden müssen. Das bedeutet z.B. das alles, was sehend erfasst werden kann, auch hörbar sein sollte, z.B. in dem man ein Bild durch einen Beschreibungstext vorlesbar macht (wie das funktioniert, beschreibt der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband).
  • Bedienbarkeit – Menschen mit funktioneller Beeinträchtigung sollen alle Elemente des Dienstes uneingeschränkt bedienen könne. Menschen mit einer motorischen Einschränkung sollten daher z.B. eine Website nur mit der Tastatur bedienen können (ein Umsetzungsbeispiel finden sie auf der Seite des Bundesbeauftragten der Bundesregierung zur Barrierefreiheit).
  • Verständlichkeit – Die Inhalte der Website und App sollten sprachlich gut verständlich sein. Zu diesem Zweck sollte möglichst durchgehend leichte Sprache verwendet und unbekannte Fachbegriffe erklärt werden (die Berliner Datenschutzbeauftrage bietet daher z.B. eine alternative Version ihrer Website in leichter Sprache an).
  • Robustheit – Die Website muss über den Browser und unterstützende Technologien gut auslesbar sein. Soweit HTML verwendet wird, sollte das regelmäßig der Fall sein (ob eine Website wirklich maschinenlesbar ist, lässt sich mit entsprechender Screenreader-Software testen).

Darüber hinaus gelten besondere Vorgaben in Bezug auf Art und Funktionen der erbrachten Dienstleistung. Websites und Apps, über die online Produkte und Dienstleistungen an Verbraucher verkauft werden, müssen daher:

  • Informationen zur Barrierefreiheit der zum Verkauf angebotenen Produkte und / oder Dienstleistungen weitergeben;
  • die Barrierefreiheit der Identifizierungs-, Sicherheits- und Zahlungsfunktionen gewährleisten und
  • Identifizierungsmethoden, elektronischen Signaturen und Zahlungsdiensten anbieten, die „wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust“ sind.

Websites und Apps sollen darüber hinaus für Menschen ohne und mit eingeschränktem Seh- oder Hörvermögen sowie Menschen mit motorischen oder kognitiven Einschränkungen nutzbar sein.

Das BFSGV legt nicht verbindlich fest, wie diese Vorgaben umgesetzt werden müssen. Insoweit besteht zumindest theoretisch ein weiter rechtlicher Interpretationsspielraum. Das BFSGV verlangt allerdings, dass die Umsetzung der Barrierefreiheit dem Stand der Technik entsprechen muss. Das bedeutet praktisch, dass Diensteanbieter sich bei der Umsetzung der Anforderungen des BFSGV an etablierten technischen Standards und Richtlinien zur Barrierefreiheit orientieren sollten (mehr dazu im Abschnitt Konformitätsvermutung).

Konformitätsvermutung: Einhaltung des BFSG durch Umsetzung technischer Standards

Um die Einhaltung der Vorgaben der BFSGV praktisch zu erleichtern, enthält das BFSG eine Konformitätsvermutung. Bei Einhaltung einschlägiger Normen, die im Amtsblatt der europäischen Union veröffentlichten wurden, gilt die Vermutung, dass die Anforderungen des BFSG erfüllt werden.

Für Websites und Apps gibt es eine solche Norm bereits, die EN 301 549 mit dem Titel “Accessibility requirements for ICT products and services”. Die Norm ist für sich betrachtet und ohne Expertenwissen zwar nur schwer nachvollziehbar. Im Zusammenhang mit Webinhalten verweist sie aber auf die weit verständlicheren Web Content Accessibility Guidelines (WCAG - aktuell noch in der Version 2.1). Bei der WCAG handelt es sich um ein mehrstufiges Modell zur Umsetzung der Barrierefreiheit, das auf den vier Grundprinzipien der Barrierefreiheit basiert, die Dienstleister auch nach der BFSGV umsetzen müssen.  

Informations- und Hinweispflichten

Darüber hinaus müssen Unternehmen barrierefrei darüber informieren, wie die Barrierefreiheit auf ihrer Website oder App umgesetzt wurde. Dienstleister müssen grundlegende Informationen zur Einhaltung der Barrierefreiheit barrierefrei bereitstellen, die eine allgemeine Beschreibung der Dienstleistung, Angaben zur zuständigen Marktüberwachungsbehörde sowie zur Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen der BFSGV enthalten. Konkret müssen Dienstleister beschreiben welche Anforderungen an die Barrierefreiheit gelten und wie diese umgesetzt wurden. Soweit die Anforderungen der BFSGV nicht oder nicht vollständig umgesetzt wurden, muss darüber hinaus die zuständige Marktüberwachungsbehörde aktiv darüber informiert werden.

Besondere Anforderungen an den Schutz personenbezogener Daten

Bei der barrierefreien Gestaltung einer Website oder App muss nach Vorgaben der BFSGV außerdem die Privatsphäre der Nutzer geschützt werden. Hintergrund ist vermutlich, dass infolge der Umsetzung BFSGV unter Umständen Daten zum Gesundheitszustand der Nutzer verarbeitet, werden könnten. Ermöglicht ein Dienstleister seinen Nutzern z.B. eine Website allein mit der Tastatur zu nutzen, kann aus den zur Nutzung der Website erhobenen Trackingdaten gefolgert werden, welche Nutzer die Funktion einsetzen und daher sehr wahrscheinlich einer funktionellen Beeinträchtigung unterliegen. Hier könnte auch der Schutz besonderer personenbezogener Daten im Sinne von Art. 9 DSGVO relevant werden.

Entsprechend sollten Website- und Appbetreiber darauf achten, dass sie bei der Umsetzung BFSG auch der Datenschutz mitgedacht wird, indem z.B. auch der Cookiebanner barrierefrei gestaltet wird.

Praktische Empfehlungen zur Umsetzung

Um die oben beschriebenen Anforderungen umsetzen zu können, muss das entsprechende Fachwissen im Unternehmen vorhanden sein. Wir empfehlen ihnen daher:

  1. Den Anpassungsbedarf ihrer Website oder App durch ein externes Audit überprüfen zu lassen.
  2. Die internen Teams in Bezug auf die Anforderungen an die Barrierefreiheit (insbesondere der EN 301 549 und des WCAG) schulen zu lassen.
  3. Die Anforderungen des BFSG stufenweise auf der Website / in der App umzusetzen.
  4. Barrierefreiheit langfristig in den internen Konzepten zu verankern.

Ausblick

Wie der Beitrag zeigt, sind die Anforderungen des BFSG komplex und lassen sich in keinem Fall kurzfristig umsetzen. Was aber kann passieren, wenn Unternehmen nicht in der Lage sind die Anforderungen des BFSG bis zum 28. Juni 2025 umzusetzen? Damit werden wir uns in Teil 4 unserer Beitragsreihe zum BFSG befassen.

Rechtsanwalt, Senior Associate
Philip Schweers
Rechtsanwalt, Senior Associate
Philip Schweers

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Relevante Vorgaben zum Einsatz von KI in Unternehmen und öffentlichen Stellen aus dem Tätigkeitsbericht 2024 des LfDI Baden-Württemberg

In seinem Tätigkeitsbericht für das Jahr 2024 hat sich der Landesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg (LfDI BaWü) unter anderem auch zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) geäußert. Insbesondere wird im Tätigkeitsbericht der Einsatz von KI in Schulen thematisiert (siehe S. 112 ff.). Die dort genannten Vorgaben lassen sich zum Großteil jedoch auch auf andere Sachverhalte anwenden.

Neue Zweifel an der Wirksamkeit des EU-U.S. Data Privacy Framework

Der LIBE-Ausschuss vom Europäischen Parlament hat am 6. Februar 2025 die Kommission darauf hingewiesen, dass das unter dem EU-U.S. Data Privacy Framework („DPF“) geschaffene Privacy and Civil Liberties Board nur noch mit einer Person besetzt ist (siehe dazu auch den Artikel bei Bloomberg). Die anderen Board-Mitglieder wurden von der Exekutive in den USA abberufen. Der Ausschuss bittet die Kommission eine dokumentierte Prüfung zur Verfügung zu stellen, die sich mit den Auswirkungen dieser Änderung befasst. Das ist nachvollziehbar, weil eigentlich ein wirksamer und Art. 47 der Charta der Grundrechte der EU entsprechender Rechtsbehelf notwendig ist, um von einer Angemessenheit des Schutzniveaus auszugehen. Im folgenden Abschnitt beantworten wir Fragen, die sich Unternehmen aus der EU jetzt vermehrt stellen werden.

Neue Vorgaben zur Barrierefreiheit auf Websites und in Apps: Ein Überblick zu den Vorschriften des BFSG

Philip Schweers hat in der aktuellen Ausgabe 09/2025 des "Betriebs-Beraters" die nach dem 28. Juni 2025 geltenden Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz für Websites und Apps zusammengefasst.

Der Beitrag beschreibt ausführlich für welche Websites und Apps das BFSG gilt, welche Anforderungen bei dessen Umsetzung beachtet werden müssen und welche Konsequenzen bei Verstößen drohen.

Den Beitrag finden Sie hier als PDF zum freien Abruf.

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (Teil 4) – Folgen von Verstößen gegen das BFSG

Ab dem 29. Juni 2025 gelten die Vorgaben des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG). Um Sie rechtzeitig auf das BFSG vorzubereiten, befassen wir uns in unserer Beitragsreihe mit dessen Anforderungen. In Teil 1 haben wir uns einen kurzen Gesamtüberblick zum BFSG verschafft. In Teil 2 und Teil 3 haben wir uns angesehen, ob und welche Anforderungen aus dem BFSG für ihre Websites und Apps gelten. In Teil 4 befassen wir uns damit, was passiert, wenn ein Dienstleister, (z.B. der Anbieter eines Onlineshops) gegen die Vorgaben des BFSG verstößt und wie dieser sich gegen mögliche Rechtsfolgen wehren kann.

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (Teil 3) – Was bedeutet Barrierefreiheit für meine Website oder App?

Nachdem wir uns in Teil 2 unserer Beitragsreihe zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) damit befasst haben für welche Apps und Websites das BFSG gilt, stellen wir Ihnen in Teil 3 vor, welche konkreten Anforderungen an die Barrierefreiheit gelten.

LG Nürnberg-Fürth: Zugangsdaten, Passwörter und Datenbank mit öffentlich verfügbaren Informationen als Geschäftsgeheimnisse

Im Bereich Geschäftsgeheimnisschutz ist es besonders relevant, dass Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses diese mit angemessenen Maßnahmen geheim halten. Damit eine Information überhaupt ein Geschäftsgeheimnis i.S.v. § 2 Nr. 1 GeschGehG sein kann, dürfen die relevanten Informationen u.a. weder allgemein bekannt noch ohne Weiteres zugänglich sein. Das LG Nürnberg-Fürth hat am 27.12.2024 (Az. 19 O 556/24) entschieden, dass sowohl eine Datenbank mit öffentlich verfügbaren Daten als auch die Zugangsdaten und Passwörter für den Zugriff auf diese Datenbank als Geschäftsgeheimnisse gelten. Es wurde außerdem entschieden, dass dem Kläger ein Auskunftsanspruch aus § 8 Abs. 1 GeschGehG zustand und die dabei zur Mitteilung von Namen und Anschriften der an der Verletzung des Geschäftsgeheimnisses beteiligten Personen erforderliche Rechtsgrundlage aus der DSGVO vorlag.